Mittwoch, 20. September 2023

Fux: La corona d'Arianna - Alfredo Bernardini

Kann ein Musiktheoretiker ein guter Komponist sein? Ja, das kann er. Aber oft tut sich die Musikwelt damit schwer, und kostet es Zeit, seine kompositorischen Qualitäten zu entdecken. Das trifft auf Johann Mattheson, Johann Joachim Quantz und Leopold Mozart zu, und auch auf Johann Joseph Fux. Der ist vor allem wegen seines Lehrwerks Gradus ad Parnassum, das unter anderem von Johann Sebastian Bach geschätzt wurde, bekannt geworden. Als Oberkapellmeister am kaiserlichen Hof zu Wien hat er ein grosses Oeuvre hinterlassen, vor allem an liturgischer Musik, aber auch Oratorien, Musik fürs Theater und Instrumentalmusik. Dazu kommen dann noch Werke für ein Tasteninstrument. Alfredo Bernardini führte 2018 bei der Styriarte zum ersten Mal eine Oper von Fux auf, und sie sollte von fünf weiteren gefolgt werden. Bis dato ist leider nur eine dieser Aufführungen auf CD erhältlich (Dafne in Lauro, 2019). Die Aufführungen von 2020 bis 2022 wurden von den Beschränkungen infolge der COVID-19-Pandemie beeinträchtigt. Das Festival hat sich Mühe gegeben, das Projekt weiterzuführen. Eine der Lösungen bestand darin, die Werke zweimal täglich in stark gekürzten Fassungen aufzuführen. Auch bei La corona d'Arianna, die 2022 während des Festivals erklang und direkt danach für CD eingespielt wurde, handelt es sich um eine gekürzte Fassung.

Das Werk wurde im August 1726 aus Anlass des Geburtstages der Kaiserin Elisabeth Christine in der Sommerresidenz der kaiserlichen Familie im Favorita-Garten in Wien aufgeführt, und erklang noch zweimal im September. Es wurde inszeniert und es gab Ballette, für welche Nicola Matteis die Musik beisteuerte. Das Orchester war mit Oboen, vier Trompeten und Pauken sowie Streichern üppig besetzt, und der Chor hat einen substantiellen Anteil. Venus spielt im Libretto die Hauptrolle, und diese schrieb Fux für die damals berühmte Sopranistin Marianna Lorenzani Conti. Es gab sechs weitere Rollen: eine für Sopran, drei für Alt und je eine für Tenor und Bass. Letztere zwei Rollen sind in dieser Fassung ganz gestrichen und es wurden weiter Rezitative und Arien weggelassen sowie auf einige Dacapos verzichtet. Ursprünglich sang Venus die meisten und die brillantesten Arien. Durch die Verkürzung ist die sich daraus ergebende Balance zunichte gemacht; immerhin mussten alle Sänger genügend zu Wort kommen.

Es ist schade, dass dieses interessante Projekt nicht so durchgeführt werden konnte, wie es geplant war. Allerdings sollten wir dankbar sein, dass man sich für diese Lösung entschieden hat, denn alles ist besser als gar nichts. Und die Qualität der Musik rechtfertigt eine Aufnahme dieser Fassung: sie soll jedem Hörer klar machen, dass Fux zu Unrecht nicht genug geschätzt wird. Die Musik ist hervorragend, und man kann nur hoffen, dass dieses Projekt und die CD-Aufnahmen zu einer verstärkten Fux-Renaissance beitragen. Die Interpreten helfen da kräftig mit. Alfredo Bernardini, einer der besten Barockoboisten unserer Zeit, manifestiert sich immer öfter als Leiter von Produktionen, auch mit Vokalmusik. Dabei beweist er ein gutes Ohr für Stimmen zu haben. Die fünf Solisten zeigen eine bemerkenswerte stilistische Konsistenz; keiner tanzt aus der Reihe. Es gibt kein übermässiges Vibrato und keine diskutable Verzierungen. Nur geht man dann und wann in den Kadenzen über die Tessitur einer Partie hinaus, was unerwünscht ist. Das Orchester ist alert und spielt farbenreich. In Kürze, obwohl wir es hier mit einer gekürzten Fassung zu tun haben, ist diese Produktion aller Aufmerksamkeit wert.

Fux: La corona d'Arianna
Monica Piccinini, Carlotta Colombo, Sopran; Marianne Beate Kielland, Alt; Meili Li, Rafał Tomkiewicz, Altus; Arnold Schoenberg Chor; Zefiro Baroque Orchestra/Alfredo Bernardini
Accent ACC 24391 (© 2023) details

Mittwoch, 13. September 2023

Wilms: Klarinettenkonzert & konzertante Sinfonien - Harmonie Universelle

Johann Wilhelm Wilms ist einer vieler Komponisten aus der Zeit um 1800, die von den Grossen der Wiener Klassik überschattet worden sind. Er war deutscher Abstammung, liess sich 1791 in Amsterdam nieder, und spielte seitdem eine wichtige Rolle im niederländischen Musikleben, als Komponist, Dirigent, Pianist und Flötist. In den Niederlanden ist er heute vor allem als Komponist des Liedes Wien Nêerlands bloed bekannt; es war bis 1932 die Nationalhymne. Heute wird das Lied mit Recht wegen seines zum Teil rassistischen Textes verurteilt. Übrigens war Wilms nicht der Dichter des Liedes. Seit einigen Jahrzehnten gibt es eine bescheidene Neubewertung seines Oeuvres. Einige CDs mit Sinfonien und Solokonzerten sind erschienen, und Ronald Brautigam hat seine Klavierkonzerte aufgenommen (BIS). Die neueste Produktion mit Werken von Wilms ist eine bei Accent erschienene Aufnahme zweier konzertanten Sinfonien sowie seines Klarinettenkonzerts.

Die Sinfonia concertante war eine in der Klassik sehr beliebte Gattung. Sie entstand in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Paris. Es handelt sich um ein Orchesterwerk mit kürzeren Soloabschnitten für zwei oder mehrere Instrumente. Das Ziel eines solchen Werkes war Unterhaltung, aber das will nicht heissen, dass es immer leicht verdauliche Kost war; man denke hier an Mozarts Sinfonia concertante für Violine und Viola, eines seiner beliebtesten Werke. Diese CD bietet zwei solcher Werke, die Wilms übrigens schlichtweg Concertante nannte. Die Concertante in C-Dur enthält Solopartien für Traversflöte, Klarinette, Fagott, Violine und Violoncello. Im Textheft bemerkt Cellistin Amarillis Dueñas Castán, dass ihre Partie durchaus anspruchsvoll ist, was bestätigt, dass es sich nicht immer um 'leichte Musik' handelt. In der Concertante in F-Dur sind die Soloinstrumente Traversflöte, Oboe oder Klarinette (hier hat man sich für die Oboe entschieden), Fagott und Horn. Typisch für die Gattung sind die Schlussätze: die letztgenannte Sinfonia concertante, die übrigens nur aus zwei Sätzen besteht, endet mit einem Allegretto mit Variationen, während die andere (dreisätzige) Concertante mit einem Polonaise endet. So endet auch das Klarinettenkonzert, das Ernst Schlader im Textheft als dem Konzert von Mozart ebenbürtig betrachtet. Es stellt hohe Anforderungen an den Solisten, denen Schlader, als Spezialist auf der historischen Klarinette, voll gewachsen ist. Das Konzert wurde von Dieter Klöcker entdeckt; er konnte es wegen seines Todes nicht mehr aufnehmen. Es ist schön, dass im Textheft dessen Arbeit in der Erweiterung des Klarinettenrepertoires gewürdigt wird.

Das Ensemble Harmonie Universelle kennen wir als Barockensemble, das sich vor allem mit Musik des 17. Jahrhunderts einen Namen gemacht hat, und dann und wann auch mal späteres Repertoire spielt. Soweit in die Geschichte ist das Ensemble bisher wohl nicht vorgedrungen. Man hat sich der Mitwirkung des in der Musik des 19. Jahrhunderts erfahrenen Andreas Spering versichert, und das war eine gute Idee. Alles klingt völlig natürlich, im klassischen Sinne. Dazu kommen hochkarätige Solisten, die dafür sorgen, das die Solostellen voll zur Geltung kommen. Für Liebhaber der Musik der Klassik scheint mir diese Produktion unverzichtbar, und es ist ein überzeugendes Plädoyer für das Schaffen von Johann Wilhelm Wilms.

Wilms: Klarinettenkonzert, Sinfonie Concertante
Sophia Aretz, Traversflöte; Markus Deuter, Oboe; Ernst Schlader, Klarinette; Veit Scholz, Fagott; Federico Cuevas Ruiz, Horn; Mónica Waisman, Violine; Amarillis Dueñas Castán, Violoncello; Harmonie Universelle/Andreas Spering
Accent ACC 24391 (© 2023) details

Das Cembalo in Paris im 18. Jahrhundert

Im 17. Jahrhundert war die Laute das am meisten geschätzte Instrument in Frankreich. Das änderte sich gegen Ende des Jahrhunderts, als das...