Freitag, 19. Juli 2024

Santa Maria: Missa O beata Maria - Arte Minima



Lange Zeit stammte die alte Musik, die in Konzerten dargestellt und auf Tonträger aufgenommen wurde, aus dem Herzland Europas. Was in Gebieten komponiert wurde, die man als Peripherie bezeichnen könnte, wurde kaum beachtet. Mit der Verbreitung der historischen Aufführungspraxis hat sich das geändert. Es sind in erster Linie Musiker aus einem Land oder einer Region, die sich um ihr eigenes musikalisches Erbe kümmern. In den letzten Jahrzehnten sind viele Aufnahmen mit Musik aus Polen auf den Markt gekommen, und dann und wann kommen auch andere Teile Europas, wie Irland, der Balkan und Malta musikalisch zu Wort. Die jetzt vorliegende CD bringt uns nach Portugal - auch einem Land, dessen Musik lange Zeit in einem Dornröschenschlaf versunken war.

Wo die spanische Musik der Renaissance, und heute in zunehmendem Masse auch des Barock und der Klassik, oft zu hören ist, hat die portugiesische Musik es schwerer, sich durchzusetzen. Dabei muss immer bedacht werden, dass das musikalische Erbe des Landes nur bruchstückhaft überliefert worden ist. Das Erdbeben, dass 1755 Lissabon heimsuchte, hat die sämtliche Musiksammlung des königlichen Palastes vernichtet. Viele Werke des 16. und 17. Jahrhunderts wurden nur dort aufbewahrt, und sind deswegen für immer verloren. Man darf von Glück reden, dass noch das Eine oder Andere erhalten geblieben ist.

Francisco de Santa Maria (1532/38-1597) ist strikt genommen vielleicht kein Portugiese, sondern Spanier, denn er wurde in Ciudad Rodrigo in Spanien, dicht an der portugiesischen Grenze, geboren. Er wirkte als Sänger in der dortigen Kathedrale, liess sich kurz nach 1553 aber in Portugal nieder, wo er als Kapellmeister in Guarda und Coimbra tätig war, und schliesslich am Augustinerkloster zu Santa Cruz. Neben Musik für das Theater komponierte er geistliche Musik. Wieviel seines Schaffens überliefert ist, lässt sich schwer feststellen. Mehrere Werke, die in anonymen Kopien vorliegen, könnten von ihm komponiert worden sein. Auf jeden Fall stammen die Missa O beata Maria und einige Lamentationen von ihm.

Die Messe basiert auf Material aus einer Motette von Pedro Guerrera, dem älteren Bruder von Francisco Guerrera, einem der Grössen des spanischen Goldenen Zeitalters. Diese Motette besteht aus zwei Teilen; Santa Maria verarbeitet Material aus beiden Teilen. Die Messe ist vierstimmig und wird hier in solistischer Besetzung dargeboten. Leider enthält das Textheft keine Erläuterung der Aufführungspraxis. Ich hätte gerne gewusst, ob diese Besetzung den damaligen Aufführungsgewohnheiten entspricht. Auch würde ich gerne wisse, warum die Singstimmen von Blockflöten unterstützt werden. In geistlicher Musik hört man meistens laute Blasinstrumente. Merkwürdig ist, dass zwischen Kyrie und Gloria, die in der Messe immer ohne Unterbrechung gesungen werden, ein Instrumentalstück eingefügt wird.

Das ist aber eine Kleinigkeit. Diese Messe ist es durchaus wert, auf CD festgelegt zu werden, und das Ensemble Arte Minima, das ich nicht kannte, macht einen hervorragenden Eindruck. Der Gesamtklang ist sehr gut und schön, die Stimmen mischen sich perfekt, und die Balance zwischen Singstimmen und Blockflöten ist wie sie sein sollte. Liebhaber der Polyphonie der Renaissance sollten diese CD nicht missen.

Santa Maria: Missa O beata Maria
Arte Minima/Pedro Sousa Silva
Pan Classics PC 10452 (© 2023) details

Montag, 8. Juli 2024

Tartini: Violinsonaten ohne Begleitung - Lavinia Soncini



Giuseppe Tartini war einer der grössten Geiger seiner Zeit. Man könnte ihn als Nachfolger von Antonio Vivaldi betrachten. Allerdings waren sie grundverschieden. Tartini war ein Vertreter eines neuen Stils, der auf Natürlichkeit setzte und Virtuosität als ein Ziel an sich ablehnte. Tartini liess sich beim Komponieren von Poesie leiten. Ein Kommentator schreibt: "Sein Ziel war es, im Violinspiel den perfekten, natürlichen Klang der singenden menschlichen Stimme wiederzuentdecken. Es war eine ethische Position."

Tartini ist vor allem wegen seiner Violinkonzerte bekannt, und natürlich wegen der sogenannten 'Teufelstriller-Sonate', die schon im 19. Jahrhundert von grossen Geigern auf Konzerten gespielt wurde, selbstverständlich mit Klavierbegleitung. Tartini komponierte aber auch Sonaten für Violine ohne Begleitung, die in Handschrift überliefert sind unter dem Titel 26 Piccole Sonate, und die er für den eigenen Gebrauch komponierte. Er fügte aus Gewohnheit eine Bassstimme hinzu, bevorzugte aber eine Aufführung ohne Begleitung. In diesen Stücken kommt man den Geist und die Seele des Komponisten am Nächsten.

Eine Besonderheit ist, dass drei Sonaten der hier rezensierten Einspielung einen kurzen Satz enthalten, der mit aria del Tasso bezeichnet ist. Das bezieht sich auf eine Melodie, die venezianische Gondolieri zu den achtzeiligen Strophen von Torquato Tassos Gerusalemme liberata sangen. Tasso war einer der Dichter, die Tartini bewunderte, aber die Einbeziehung eines Gondoliere-Liedes sagt viel über seine Ansichten zur Natürlichkeit aus. Wie ein Autor schrieb: "Für Tartini, der der sogenannten musica naturalis der alten Griechen und der 'Musik der Nationen' folgte, ist der Begriff popolare gleichbedeutend mit 'einfach', und 'Einfachheit' ist das Hauptmerkmal der Natur. In seinen Schriften erscheint der Begriff der Natur häufig im Gegensatz zu artificioso, d. h. künstlich und unspontan." Aus dieser Perspektive kommen Tartinis Ansichten zur Natürlichkeit, die in seinem musikalischen Denken eine zentrale Rolle spielen, in diesen Sonaten perfekt zum Tragen.

In der Sonata XII gibt es dann noch einen Satz mit dem Titel Canzone veneziane. In der Sonata XVII ist der vierte Satz ein furlana (Forlana), "ein lebhafter norditalienischer Volkstanz, der besonders mit Venedig in Verbindung gebracht wird (...). Es handelte sich um einen energischen Balztanz aus der italienischen Provinz Friaul, einer slawischen Region unter der Kontrolle der Republik Venedig, und könnte daher seine Wurzeln in slawischen Tänzen haben" (New Grove). Dass Tartini eben diesen Tanz in seine Sonate einbezieht, könnte durchaus daraus zu erklären sein, dass er in Istrien geboren wurde, das heute zu Slowenien gehört.

Auch ohne diese Hintergründe lassen sich diese Sonaten genießen. Sie sind oft virtuos; Tartini verwendet häufig Doppelgriffe, wechselt schnell vom tiefen zum hohen Register und schreibt viele brillante Läufe. Es ist großartige Musik, sowohl technisch als auch im Bereich des Ausdrucks. Der Interpret ist auf sich allein gestellt und muss diese Sonaten gründlich analysieren, um ihnen gerecht zu werden. Das hat Lavinia Soncini offensichtlich gemacht. Technisch sind ihre Darbietungen beeindruckend, aber was diese Aufnahme besonders bewundernswert macht, ist die Ausdruckskraft ihrer Interpretation. Dies ist zweifellos eine der besten Aufnahmen barocker Violinmusik, die in letzter Zeit erschienen sind

Tartini: "Lieto ti prendo e poi"
Lavinia Soncini, Violine
Da Vinci Classics C00884 (© 2024) details

Montag, 24. Juni 2024

Berliner Cembalokonzerte - Philippe Grisvard



Johann Sebastian Bach war wohl der erste Komponist, der das Cembalo als Soloinstrument im Orchester verwendete. Das fünfte Brandenburgische Konzert war der erste Versuch in diese Richtung, und später bearbeitete er Konzerte in verschiedener Besetzung für Cembalo und Streicher. Seine Söhne folgten ihm: Carl Philipp Emanuel war der fruchtbarste Komponist solcher Konzerte, die er selbst aufführte, wahrscheinlich vor allem bei den Konzerten der Freitagsakademie in Berlin, gegründet von Johann Gottlieb Janitsch. Auch andere Komponisten haben solche Werke geschrieben. Philippe Grisvard und das Ensemble Diderot haben vier Konzerte für Cembalo und Streicher von Berliner Komponisten aufgenommen. Das heisst: der letzte Komponist im Programm, Ernst Wilhelm Wolf, wirkte nie in Berlin, aber stilistisch gehört er sicherlich zu den 'Berlinern'.

Der bekannteste der vier Komponisten ist zweifellos Carl Heinrich Graun. Es steht nicht hundertprozentig fest, dass das Konzert in D-Dur von ihm und nicht von seinem Bruder Johann Gottlieb stammt, aber da dieser sonst keine Cembalokonzerte komponiert hat und Geiger war, wird angenommen, dass Carl Heinrich der Komponist ist. Es ist im galanten Stil komponiert: im Cembalopart liegt das thematische Material in der rechten Hand, während die linke Hand sich auf eine Begleitfunktion beschränkt. Ausdruck gibt es vor allem im langsamen Satz.

Christoph Schaffrath war Cembalist am Hofe Friedrichs des Grossen, neben Carl Philipp Emanuel Bach. 1741 trat er in den Dienst der Schwester Friedrichs, Anna Amalia. Ihr Geschmack war eher konservativ, und Schaffrath, der wegen seiner Beherrschung des Kontrapunkts auffiel, passte genau dazu. Der erste Satz seines Konzerts in c-moll eröffnet fugatisch. Interessant ist, dass der langsame Satz mit Verzierungen des Komponisten versehen ist, die Grisvard hier auch spielt.

Christoph Nichelmann wurde 1745 als Cembalist am Hofe Friedrichs des Grossen angestellt. Zu Carl Philipp Emanuel Bach hatte er ein problematisches Verhältnis, und im Jahre 1755 nahm er den Hut. Trotzdem ist sein Konzert in d-moll stark von Bach beeinflusst. Der Cembalopart wird immer wieder plötzlich von Einbrüchen der Streicher, die forte gespielt werden, unterbrochen - ein klares Merkmal des Sturm und Drang.

Das Programm schliesst mit dem Konzert in B-Dur von Ernst Wilhelm Wolf, der von 1761 bis zu seinem Tode 1792 im Dienste des Hofes zu Weimar war. Es ist eines von um die 25 Cembalokonzerten, die er komponiert hat; die Mehrzahl ist leider verloren gegangen. Auch hier ist der Einfluss von CPE Bach unverkennbar, aber dann vor allem von dessen späteren Konzerten, die schon in die Richtung des klassischen Stils weisen.

Alle vier Konzerte erscheinen hier zum ersten Mal auf CD, und schon deswegen ist diese Produktion von grosser Bedeutung. Diese Konzerte zeugen von der hohen Qualität des Repertoires, das zur Zeit Friedrichs des Grossen an seinem Hof und in dessen Umfeld gespielt wurde. Die Wahl eines Cembalos scheint mir richtig; das Fortepiano hatte sich zur Zeit noch nicht wirklich durchgesetzt. Auch die Besetzung mit einem Instrument pro Stimme mag wohl den damaligen Aufführungsgewohnheiten entsprechen. Grisvard ist ein exzellenter Interpret, der genau den richtigen Ton trifft. Er nimmt im Bereich der Verzierungen das richtige Ausmass an Freiheiten, ohne je zu übertreiben. Auch der Ausdruck in den langsamen Sätzen kommt nicht zu kurz. Das Ensemble Diderot steht ihm in gewohnter brillianter Weise bei. Kurzum: eine Spitzenproduktion.

"Berlin Harpsichord Concertos"
Philippe Grisvard, Cembalo; Ensemble Diderot
Audax ADX11211 (© 2024) details

Donnerstag, 30. Mai 2024

Roseingrave: Cembalowerke - Bridget Cunningham



Thomas Roseingrave ist ein bekannter Name, insbesondere unter Cembalisten. Er spielte eine Schlüsselrolle in der Verbreitung der Cembalosonaten von Domenico Scarlatti. Im Jahre 1739 veröffentlichte er eine Sammlung dieser Sonaten in London; das war erst die zweite Ausgabe dieser Werke, nach den Essercizi per gravicembalo. Der Komponist Roseingrave ist aber kaum bekannt, und seine Musik wird selten gespielt. Die britische Cembalistin Bridget Cunningham hat den grössten Teil seines Cembaloschaffens auf CD aufgenommen: acht Suiten und einige separate Werke.

Roseingrave war ein grosses Talent, und er hatte schon im jungen Alter die Möglichkeit nach Italien zu reisen, um seine Fähigkeiten zu erweitern. In Venedig hörte er Scarlatti am Cembalo, und er war so beeindruckt, dass er ihm nach Rom und Neapel folgte. Im Jahre 1725 wurde er einstimmig zum Organisten an der Pfarrkirche in Hanover Square in London ernannt. Er war wegen seiner Kenntnisse des Kontrapunkts bekannt - die Frucht seines Studiums der Musik von Palestrina.

Im Jahre 1728 veröffentlichte er eine Sammlung von acht Cembalosuiten. Die Zahl und Abfolge der Sätze ist unterschiedlich. Cunningham schreibt im Textheft: "Neuere und ältere Elemente verschmelzen zu einem großartigen Potpourri aus höfischen Tänzen, lyrischen Vokalstücken, französischer Tendresse, fugierter und kontrapunktischer Komposition und extravagant arpeggierten Präludien, in dem sich das Gelehrte und Kalkulierte frei mit dem Spontanen und Improvisatorischen vermischt." Die erste Suite eröffnet mit einer französischen Ouvertüre, und schliesst mit einer Chaconne. Die zweite beginnt mit einem Präludium, das mit einem verminderten Septimeakkord eröffnet; es erinnert an den ersten Satz, Le cahos, aus Jean Fery Rebel's suite Les Élémens. Die restlichen Suiten fangen mit einer Allemande an. Es ist bemerkenswert, dass Roseingrave zwar Scarlatti bewunderte, aber dessen Einfluss auf seine eigenen Suiten gering ist. Cunningham sieht ihn nur in einem Satz. Es ist nützlich ihren Kommentar im Textheft - übrigens nur auf englisch - zu lesen, wenn man diese Suiten anhört. Sie zeigen seine Eigenständigkeit als Komponist.

Nach den Suiten erklingen einige weitere Stücke, darunter die Solofassung eines Cembalokonzerts und eine Bearbeitung einer Sonate von Scarlatti. Dazu gibt es noch ein Stück, das Roseingrave aufnahm in das Vorwort zu seiner Ausgabe von Scarlattis Sonaten.

Bridget Cunningham spielt eine Kopie eines Cembalos von Ruckers mit einem französischen ravalement. Sie argumentiert, dass Roseingrave im Verlauf seiner Karriere verschiedene Cembalotypen kennengelernt hat. Von daher ist diese Wahl gut zu verteidigen. Trotzdem hätte ich gerne ein echtes englisches Cembalo gehört, denn solche Instrumente werden selten in Aufnahmen gespielt. Insgesamt haben mir die Interpretationen gut gefallen; sie sind stilsicher und energisch. Nur in den schnellen Sätzen hätte ich hier und da einen etwas grösseren Kontrast zwischen 'guten' und 'schlechten' Noten gehört; die 'schlechten' hätten etwas kürzer gespielt werden sollen.

Die Bedeutung dieser Produktion ist nicht zu überschätzen: Roseingrave war mehr als der Förderer der Cembalosonaten von Scarlatti und soll als Komponist ernst genommen werden.

Roseingrave: "Eight Harpsichord Suites and other keyboard works"
Bridget Cunningham, Cembalo
Signum Classics SIGCD783 (© 2024) details

Freitag, 24. Mai 2024

Mascitti: Triosonaten Op. 1 - Musica Elegentia



Im 18. Jahrhundert machten viele italienische Musiker und Komponisten sich auf den Weg zu anderen Teilen Europas, inbesondere England und Frankreich. Einer dieser war Michele Mascitti (1663/64-1760). Er stammte aus Chieti, in der Nähe von Neapel, wo ausgebildet wurde; 1704 liess er sich in Paris nieder. Er kam zunächst unter dem Schutz des Herzogs von Orléans und trat danach in den Dienst der Familie Crozat. Mascitti war sehr beliebt in Frankreich und ihm wurde 1739 die französische Staatsbürgerschaft verliehen. Zwischen 1704 und 1739 erschienen neun Sammlungen mit insgesamt 100 Solosonaten und 12 Triosonaten. Dazu gibt es noch Cembalowerke, Concerti grossi und Trios für zwei Gamben und Basso continuo.

Er scheint ein eigenwilliger Charakter gewesen zu sein. Das geht schon aus der Zusammenstellung verschiedener Sonatensammlungen hervor. Solche bestanden üblicherweise aus sechs oder zwölf Stücken, aber zwei Sammlungen von Mascitti enthalten 15 Sonaten, und eine 14: acht Solosonaten und sechs Triosonaten. Auch im Opus 1 finden sich diese beiden Gattungen: sechs Solosonaten und sechs Triosonaten. Beide Gattungen sind dann wieder aufgeteilt in je drei sonate da chiesa und sonate da camera. Allerdings sind diese beide Arten nicht strikt getrennt. Das Ensemble Musica Elegentia hat sich auf die Triosonaten konzentriert. Im Textheft wird behauptet, es handele sich hier um Erstaufnahmen. Das stimmt aber nicht: 2008 veröffentlichte das Label Acte Préalable eine Gesamtaufnahme des Opus 1.

Diese Sonaten sind strikt im italienischen Stil komponiert. Sie wurden 1704 gedruckt, und damit gehören sie zu den frühesten italienischen Sonaten, die in Frankreich veröffentlicht wurden. Nennenswert ist, dass in einigen Sonaten das Violoncello absonderlich erwähnt wird; das deutet aber nicht auf eine obligate Partie, sondern darauf, dass das Violoncello Diminutionen zum Basso continuo beiträgt. Eine zweite Besonderheit bietet die Sonata X: die zweite Geigenpartie kann auch ausgelassen werden; damit wird dieses Stück dann eine Solosonate.

Mascitti's Werke sind in den letzten Jahren auf ein wachsendes Interesse von Interpreten gestossen: verschiedene Aufnahmen seiner Sonaten sind auf CD erhältlich. Das ist verständlich: sie sind sehr gut konzipiert, für Geiger interessant und für Zuhörer unterhaltsam. Auch in den Triosonaten, die Musica Elegentia aufgezeichnet hat, kommt nie Langeweile auf. Das Ensemble Musica Elegentia hat den Geist dieser Werke perfekt erfasst. Die beiden Geiger - Paola Nervi und Marco Pesce - sind hervorragend. Der Basso continuo ist, wegen der Kombination von Violoncello und Violone, manchmal etwas zu schwer, aber der rhythmische Puls kommt sehr gut zum Tragen. Fazit: ein erfreulicher Beitrag zur Mascitti-Diskographie, der die Qualitäten seiner Musik überzeugend über die Bühne bringt.

Mascitti: Sonate a Tre - Opera Prima
Musica Elegentia/Matteo Cicchitti
Challenge Classics CC72979 (© 2024) details

Dienstag, 14. Mai 2024

Janitsch: Kammermusik - Die Freitagsakademie



Die Musik von Johann Gottlieb Janitsch (1708-1763) darf sich seit einiger Zeit grosser Aufmerksamkeit freuen. Das Ensemble Epoca Barocca hat schon 2010 eine CD für CPO aufgenommen, und das Ensemble Notturna hat ihm später drei CDs gewidmet (Atma). Vor kurzem sind einige CDs des Ensembles Friday Academy Berlin erschienen, und hier steht eine CD des Ensembles Die Freitagsakademie zur Rezension. Das zwei unterschiedliche Ensembles den fast gleichen Namen tragen, lässt sich verstehen. Janitsch, der im Dienste Friedrichs des Grossen stand, ist vor allem wegen seiner Konzerte bekannt geworden, die er unter dem Namen Freitagsakademie organisierte. Damit hatte er schon angefangen, als Friedrich noch in Rheinsberg residierte, und er setzte sie fort, als dieser den Thron bestiegen hatte und nach Berlin übergesiedelt war. In diesen Konzerten wurde Musik unterschiedlichen Charakters gespielt, von professionellen Musikern und guten Laien. Dort hat wahrscheinlich Carl Philipp Emanuel Bach seine Cembalokonzerte vorgestellt.

Janitsch stand auch als Komponist in hohem Ansehen. Vor allem mit Quartetten machte er sich einen Namen. Dabei zeigt er ein Gespür für originelle und weniger geläufige Kombinationen von Instrumenten. Besonders auffällig ist, dass die Viola in seinen Quartetten eine obligate Rolle spielt. Solostücke für die Viola wurden in der Barockzeit selten komponiert, und auch in Quartetten war das 'dritte Instrument' dann eher ein weiteres Instrument in der Sopranlage als eine Viola. In den Quartetten von Telemann ist es oft eine Viola da gamba. Umso bemerkenswerter ist die Rolle der Viola in Janitschs Quartetten. In einigen gibt es sogar zwei Bratschenstimmen: die Freitagsakademie spielt ein Quartett für Oboe d'amore, zwei Violen und Basso continuo. Es verleiht diesem Werk eine dunkle Farbe, und die Tonart E-Moll passt dazu. Bemerkenswert ist das Quartett in G-Moll, dessen dritte Satz den Choral O Haupt voll Blut und Wunden enthält, als Cantus firmus von der Oboe vorgetragen. Dieses Werk hat Jantisch aus Anlass des Todes seiner Tochter komponiert.

Die Quartette von Janitsch sind sehr schön und gut komponiert, und es ist nicht schwer zu verstehen, warum sie ihm soviel Respekt einbrachten. Für ein Ensemble wie Die Freitagsmusik ist diese Musik ein Leckerbissen, denn in jedem Stück hat jedes Instrument eine interessante Partie zu spielen, die auch mal solistische Passagen enthält. Diese Werke sind im galanten Idiom komponiert, aber gehen über das Niveau reiner Unterhaltungsmusik weit hinaus. Die Freitagsakademie hat hier eine exzellente Interpretation vorgelegt, die jedem erfreuen wird. Mit so einem Vertreter seiner Musik kann jeder Komponist glücklich sein.

Janitsch: "Chamber Music"
Die Freitagsakademie
Prospero PROSP0069 (© 2023) details

Mittwoch, 24. April 2024

Das Cembalo in Paris im 18. Jahrhundert



Im 17. Jahrhundert war die Laute das am meisten geschätzte Instrument in Frankreich. Das änderte sich gegen Ende des Jahrhunderts, als das Cembalo die Laute allmählich verdrängte. Jacques Champion de Chambonnières gilt als der Gründer der französischen Cembaloschule. Die Blütezeit des Cembalospiels war das 18. Jahrhundert. Im Jahre 1699 veröffentlichte Louis Marchand sein erstes Buch mit Cembalostücken, und in den nächsten Jahrzehnten erschienen mehrere solcher Sammlungen. François Couperin veröffentlichte sein erstes Buch 1713. Diese zwei Komponisten sind die ersten, deren Werke Jos Van Immerseel aufnahm in einer bei Channel Classics erschienene Produktion unter dem Titel 'Le clavecin à Paris au XVIIIe siècle'. Auf insgesamt drei CDs verfolgt er die stilistische Entwicklung im Komponieren für das Cembalo, und benutzt dafür drei historische Instrumente, die mit dieser Entwicklung Schritt halten.

Marchand komponierte hauptsächlich Tänze, und stilistisch steht er dem 17. Jahrhundert nahe. Wir hören Auszüge aus der ersten Suite. Bei Couperin weichen die Tänze allmählich den Charakterstücken: schon im ersten Buch gibt es kaum noch Tänze ohne einen zusätzlichen Titel. Er gilt als der erste Vertreter des sogenannten Rokoko, das von Leichtigkeit und Eleganz gekennzeichnet wird. Van Immerseel spielt Auszüge aus dem ersten Buch. Die zweite CD fängt dann mit Stücken von Jean-Philippe Rameau an. Wer seine Musik hört, wird kaum schockiert sein, aber wenn man seine Musik direkt nach Couperin hört, wird man durchaus einen Stilbruch erfahren. Rameau ist der Dramaturg unter den Cembalokomponisten. Zwar wurde seine erste Oper 1733 aufgeführt, aber schon in den Cembalosammlungen, die zwischen 1706 und 1728 erschienen, zeigt er, dass er für die Bühne geboren war. Kein Wunder, dass er mehrere Stücke später orchestrierte und in seine Opern einfügte. Van Immerseel spielt einige Stücke aus der Sammlung von 1728. Es folgen dann Stïcke von Forqueray; noch immer ist nicht geklärt, ob es sich dabei tatsächlich um Gambenstücke von Antoine handelt oder ob diese von seinem Sohn Jean-Baptiste komponiert wurden. Die Cembalofassungen haben ihren Ursprung in Stücken für die Viola da gamba, und das erklärt, dass sie sich meistens im mittleren und unteren Bereich des Cembalos bewegen. Der Einfluss des italienischen Stils ist unverkennbar.

Die dritte CD beleuchtet die Spätphase des Cembalospiels; im letzten Viertel des Jahrhunderts wurde das Cembalo vom Fortepiano Konkurrenz gemacht. Es erklingen zunächst einige Stücke von Jacques Duphly, aus dem dritten und vierten Buch. In einem Stück hören wir einen 'Albertibass', damals beliebt in Musik im galanten Idiom. Auch verwendet Duphly die Form des Rondeaus, sehr beliebt in Frankreich in seiner Zeit. Es folgen dann einige Stücke von Claude-Bénigne Balbastre; er wird oft mit dem Verfall des Cembalospiels in Verbindung gebracht. Und eine gewisse Trivialisierung ist seinem Oeuvre nicht abzusprechen, hier zur Schau gestellt im Air gay. Dagegen ist Les Malesherbe ein schönes Stück, das schon nach Mozart riecht. Als letzter Vertreter der französischen Cembaloschule wird hier Armand Louis Couperin präsentiert. Auch in seinem Oeuvre ist Oberflächlichkeit festzustellen, aber das hier aufgeführte L'affligée ist ein bewegendes Stück, das eine heimgesuchte Person porträtiert.

Jos Van Immerseel kennen wir heute als Spieler historischer Klaviere und Dirigent des Orchesters Anima Eterna. Er hat aber als Cembalist angefangen, und es ist schön, dass er zu seiner alten Liebe zurückgekehrt ist. Mit Hilfe drei schöner historischer Instrumente präsentiert er eine fesselnde Übersicht der Entwicklung im Komponieren für das Cembalo in Frankreich sowie im Cembalobau. Insgesamt haben seine Interpretationen mir gut gefallen; allerdings fand ich ihn in Rameau etwas zu zurückhaltend. Schön sind die stilistisch überzeugenden Verzierungen: grosszügig, aber ohne Übertreibung. Die Anwendung der notes inégales ist subtil.

Auch wer die hier aufgenommenen Stücke schon in seiner CD-Sammlung hat, sollte sich diese Produktion überlegen, auch wegen der Instrumente, die man nicht alle Tage hört.

"Le clavecin à Paris au XVIIIe siècle"
Jos Van Immerseel, Cembalo
Channel Classica CSS45523 (© 2023) details

Santa Maria: Missa O beata Maria - Arte Minima

Lange Zeit stammte die alte Musik, die in Konzerten dargestellt und auf Tonträger aufgenommen wurde, aus dem Herzland Europas. Was in Gebi...