Mittwoch, 14. Mai 2025

A Trè: Violoncellotrios des 18. Jahrhunderts - Tiefsaits



Von der Mitte des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts war die Triosonate die beliebteste Form von Kammermusik. Triosonaten waren meistens für musikalische Laien gedacht: sie verlangten einiges technisches Können, waren aber nicht zu anspruchsvoll. Sie wurden meistens unter dem Titel Sonate à tre veröffentlicht, und daraus erklärt sich der Titel der hier zu rezensierenden CD.

Triosonaten waren meistens für zwei Violinen und Basso continuo bestimmt; im Verlaufe des 18. Jahrhunderts kamen andere Instrumente dazu, wie Traversflöten und Oboen. Trios für drei Violoncellos waren aber rar, und es war erst in der Zeit der Klassik, dass solche Werke komponiert wurden, und dann vielleicht noch nicht in grossen Mengen. Das deutsche Ensemble Tiefsaits hat einige solcher Trios eingespielt, aber einige Werke des Barock sind in Wirklichkeit Triosonaten, in denen das dritte Violoncello den Basso continuo spielt. Das war eine damals durchaus gängige Praxis, die heute selten zu hören ist.

Hauptperson im Programm ist Giuseppe Clemente (ursprünglich: Joseph Marie Clément Ferdinand) dall'Abaco (1710-1805), Sohn des bekannteren Evaristo Felice, der aus Italien stammte, und in Brüssel wirkte, als sein Sohn geboren wurde. Letzterer wurde als Cellist ausgebildet, unter anderem in Italien, und war einige Zeit in der kurfürstlichen Kapelle zu Bonn tätig. Ihm wurde es erlaubt, als Cellovirtuose durch Europa zu reisen; 1753 liess er sich in Verona nieder.

Von ihm erklingen zwei Trios, in denen die Instrumente unterschiedlich behandelt werden. Dazu kommen noch drei der insgesamt elf Caprices für Violoncello solo. Während die Trios für technisch versierte Laien oder andere professionelle Spieler bestimmt waren, hat Dall'Abaco die Caprices wohl für den eigenen Gebrauch konzipiert. Sie werden oft mit den Suiten für Violoncello solo von Bach verglichen, und da ist was dran. Insbesondere die hier eingespielte Caprice Nr. 4 könnte man sich durchaus als prélude einer seiner Suiten vorstellen.

Wie Dall'Abaco war auch Jean Barrière ein professioneller Cellist. Er hat vier Bücher mit Cellosonaten veröffentlicht, und im dritten Buch gibt es eine für zwei Violoncellos und Bass. Wegen der Notation der Oberstimme wird hier ein französisches Instrument mit fünf Saiten verwendet.

Schliesslich erklingt noch eine Sonate von Benedetto Marcello, der einzige im Bunde, der selber nicht Cello spielte. Es ist wohl der wachsenden Beliebtheit des Instruments zu verdanken, dass er zwei Sammlungen von Sonaten für ein bzw. zwei Violoncellos und Basso continuo veröffentlichte. Interessanterweise erwähnt er die Viola da gamba als Alternative. Bemerkenswert ist der Schlussatz der hier eingespielten Sonate: es gibt nur eine Melodielinie, die das zweite Cello fragmentarisch imitieren soll in Form eines Kanons; der Generalbass fehlt.

Diese Einspeilung ist das Debut des Ensembles, das besteht aus Anna Reisener, Alma Stolte and Mirjam-Luise Münzel. Eine bessere Weise, sich dem Publikum vorzustellen, lässt sich kaum denken. Das Programm ist originell und interessant, und die Musik wird technisch einwandfrei und mit viel stilistischer Einsicht und Engagement vorgetragen. Ich möchte diese Aufnahme nachdrücklich empfehlen, nicht nur Liebhabern des Violoncellos. Und ich hoffe und erwarte, dass diese Damen einer erfolgreichen Karriere entgegensehen dürfen.

"À Tre - 18th Century Cello Trios"
Tiefsaits
Da Vinci Classics C00943 (© 2024) Details

Donnerstag, 1. Mai 2025

Lusitano: Liber Primus Epigramatum - Arte Minima



Musik der Renaissance von der iberischen Halbinsel wird oft aufgeführt und aufgenommen. Trotzdem gibt es noch viele Komponisten, die kaum bekannt sind. Dazu gehört auch Vicente Lusitano (um 1520 - nach 1561). Er wurde im portugiesischen Olivença (heute Olivenza, Spanien) geboren. Über seine Ausbildung wissen wir so gut wie nichts. Möglicherweise war sein Lehrer ein gewisser Pero Brujel oder Brugel, wahrscheinlich ein Komponist flämischer Herkunft. Wenn das stimmt, lässt sich vielleicht daraus erklären, dass Lusitano stark von Josquin Desprez und Nicolas Gombert beeinflusst wurde.

In den späten 1580er Jahren ging er nach Rom, wo 1551 die Sammlung von Motetten veröffentlicht wurde, aus der die Werke stammen, die das Ensemble Arte Minima aufgenommen hat. Zwei Jahre später veröffentlichte Lusitano ein theoretisches Werk, das aus einem Disput mit seinem Kollegen Nicolà Vicentino hervorging. "Im Mittelpunkt dieser Debatte standen die gegensätzlichen Auffassungen über die Interpretation theoretischer Konzepte aus der griechischen Antike im 16. Jahrhundert, insbesondere über die Stimmung bestimmter musikalischer Intervalle, ein Thema, das ein so differenziertes Verständnis erfordert, dass es an die Grenzen der menschlichen Wahrnehmung stößt", schreibt Pedro Sousa Silva im Textheft. Die Folge war, dass später Lusitano fast nur als Theoretiker wurde, und seine Musik in Vergessenheit geriet.

Sie scheint schon damals wenig Anklang gefunden zu haben, was ein Musikwissenschaftler mit der Schwierigkeit der Mittelstimmen in Verbindung bringt, die in einigen Motetten sogar für eine instrumentale Darstellung gemeint zu sein scheint. In dieser Aufnahme wurde das Problem so gelöst, dass Blockflöten mitspielen und Lücken auffüllen. Das wird auch dadurch motiviert, dass diese Motetten vielleicht nicht für die Liturgie, sondern für Privatandachten gemeint sind. Solche Musik wird oft als musica reservata oder musica secreta bezeichnet.

Das rechtfertigt auch eine solistische Besetzung. Trotzdem ist der Text oft nicht optimal verständlich. Daran sind nicht die Sänger schuld, sondern die Dichte des polyphonen Gewebes. Vor allem darin, und im Mangel an Atempausen, zeigt sich der Einfluss von Gombert. Josquins Einfluss kommt in zwei Motetten zum Ausdruck, die Lusitano bearbeitet hat: Inviolata, integra et casta es und Praeter rerum seriem. In beiden Fällen hat er die Zahl der Stimmen von fünf bzw. sechs auf acht erweitert.

Im Jahre 1561 konvertierte Lusitano zum Protestantismus. Er bewarb sich vergebens um eine Stelle am Württembergischen Hof in Stuttgart. Danach verschwindet er in die Finsternis der Geschichte. Was aus ihm geworden ist, wissen wir nicht. Es ist schön, dass Arte Minima ihm ein klingendes Denkmal gesetzt hat. Seine Musik verdient es, dargestellt zu werden, und die Qualität der Interpretation lässt ihr Gerechtigkeit widerfahren. Das Ensemble wird sich weiterhin mit Lusitano beschäftigen. Auf weitere Aufnahmen dürfen wir uns freuen.

Vicente Lusitano: Liber Primus Epigramatum (1551)
Arte Minima/Pedro Sousa Silva
Pan Classics PC 10466 (© 2025) Details

Freitag, 11. April 2025

Musik aus der Bokemeyer Sammlung - Musica Gloria



Die Geschichte ist nicht immer gerecht. Eine wichtige Quelle deutscher Musik des 17. Jahrhunderts ist die sogenannte Bokemeyer Sammlung. Der Name verweist auf den Komponisten Heinrich Bokemeyer (1679-1751), dem diese Sammlung gehörte. Aber ihr Urheber war sein Lehrer, Georg Österreich (1664-1735), und er ist derjenige, der sie zum grössten Teil zusammengestellt hat. Leider ist er fast vergessen, und wenn sein Name erwähnt wird, dann fast ausschliesslich wegen dieser Sammlung. Daher ist es schön, dass die Aufnahme, die das belgische Ensemble Musica Gloria dieser Sammlung gewidmet hat, zwei seiner Werke enthält, und dass er auf der Titelseite mit Namen erwähnt wird.

Obwohl die Bokemeyer Sammlung oft für Konzertprogramme und CD-Aufnahmen verwendet wird, ist es dem Ensemble gelungen, ein ganzes Programm mit Stücken aufzunehmen, die noch nicht auf CD erhältlich sind. Das erhöht den Wert dieser Produktion. Die meisten aufgenommenen Werke wurzeln stilistisch im 17. Jahrhundert. Das kommt in der Instrumentalbesetzumg zum Ausdruck, die meistens fünfstimmig ist, mit zwei Bratschen. Ausserdem gibt es nur kurze Soloabschnitte, die sich mit Episoden für das ganze Ensemble abwechseln.

Neben Georg Österreich sind hier dessen Bruder Michael sowie Johann Theile, Johann Philipp Förtsch und Johann Friedrich Meister vertreten. Die meisten Komponisten hatten, wie Österreich, Verbindungen zum Hofe zu Gottorf, der um die Jahrhundertmitte ein musikalisches Zentrum im Norden Deutschlands war.

Zwei Komponisten sind mit Werken zu hören, die in die Zukunft weisen. Von Bokemeyer erklingt eine Solokantate, die aus Rezitativen und Arien besteht - ein deutliches Zeichen des Einflusses der italienischen Oper. Das zweite Werk ist von dem gebürtigen Italiener Giulio Giuliani, von dem wenig mehr bekannt ist als dass er als Gesangslehrer am Hofe zu Wolfenbüttel wirkte, wo Österreich sein Kollege war. Seine kurze Motette hat eine Struktur, die im 18. Jahrhundert in Italien zum Standard wurde: Arie - Rezitativ - Arie - Alleluia.

Eine Besonderheit dieser Produktion ist die Mitwirkung von Oboen. Die Oboe wurde um die Mitte des 17. Jahrhunderts in Frankreich entwickelt und verbreitete sich dann über ganz Europa. In Deutschland waren mehrere Aristokraten unter dem Eindruck des Musiklebens am Hofe in Frankreich, und wollten das nur allzu gerne kopieren. Dazu gehörten auch Instrumente, wie die Oboe. Die Komponisten der hier aufgeführten Kantaten gehören wohl zu den ersten, die in ihre geistlichen Werke Partien für Oboe(n) integrierten.

Das junge Ensemble Musica Gloria hat sich in kurzer Zeit einen Namen gemacht, und fällt auf wegen der originellen Programmierung wie auch der Gründlichkeit, mit der die Interpretation vorbereitet wird. Auch für diese Produktion hat man sich Gedanken gemacht, was dieses Repertoire verlangt, um optimal zum Klingen zu kommen. Dazu gehört die Verwendung einer grossen Orgel im Basso continuo, was sich auf die Interpretation günstig auswirkt.

Die Sänger bringen alle erstklassige Leistungen, solistisch wie im Ensemble. Der Text steht immer im Mittelpunkt und wird eindrnglich vorgetragen. Das Instrumentalensemble ist auch von grosser Klasse, und lässt sich ebenfalls ganz vom Text leiten.

Diese CD hat alles in sich, um am Jahresende zu einer der CDs des Jahres gekrönt zu werden.

"Georg Österreich's Resurrected Treasures"
Musica Gloria/Nele Vertommen, Beniamino Paganini
Et'cetera KTC 1819 (© 2024) Details

Donnerstag, 3. April 2025

Conti: Arien mit verschiedenen Instrumenten - nuovo aspetto



Für mehrere Jahrhunderte war der Kaiserhof zu Wien ein Zentrum von Musik europäischen Ranges. Die Kaiser kontraktieren die besten Musiker und Komponisten, und Musik nahm im Leben am Hofe eine wichtige Stellung ein. Musik war nicht nur ein Repräsentationsmittel; die Kaiser liebten Musik, und im 17. und 18. Jahrhundert nahmen sie auch mal an Aufführungen teil und komponierten eigene Werke. Zu den Virtuosen im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts gehörte der aus Venedig stammende Francesco Bartolomeo Conti (1682-1732).

Er wurde als Theorbist ausgebildet und galt schon bald als Virtuose auf seinem Instrument. Er trat in verschiedenen Städten Italiens auf, bis er 1701 als Theorbist in Wien angestellt wurde. 1708 wurde er zum ersten Theorbisten ernannt, und 1713 folgte eine Ernennung zum Hofkomponisten. Angesichts seines Berufes wundert es nicht, dass er in seinen Werken Arien mit einer Obligatpartie für die Theorbe aufnahm. Da er auch die Mandoline spielte, finden sich in seinen Vokalwerken auch Arien mit diesem Instrument in einer Obligatrolle.

Allerdings scheint es ihm nicht in erster Linie daran gelegen zu sein, selber eine ausgeprägte Rolle zu spielen. Wenn man die hier diskutierte CD betrachtet, fällt auf, wie oft er ungewöhnliche Kombinationen von Instrumenten in seinen Werken auftreten lässt. Dazu zählen die Viola da gamba (in Italien längst aus der Mode), das Chalumeau, das Baryton, die Harfe und das Hackbrett. In den Arien, die auf dieser CD zu hören sind, setzt er sie geschickt ein um ein bestimmtes Effekt zu erreichen.

In einer komischen Szene aus Penelope reagiert der Protagonist sogar explizit auf das Spiel des Hackbretts. Und Chalumeau und Viola da gamba sind perfekt geeignet für ein Lamento aus der Oper Sesostri. In einer Arie aus der Kantate Fra queste umrose piante spielt das Chalumeau neben der Traversflöte. Der B-Abschnitt hält dann noch eine weitere Überraschung parat: das Cembalo tritt aus seiner Generalbassfunktion heraus und begleitet konzertant den Sänger. Die vielleicht ungewöhnlichste Kombination von Instrumenten tritt in einer Arie in der Oper Il trionfo dell'amicizia e dell'amore hervor: der Sopran wird begleitet von einem Ensemble mit zwei Harfen und zwei Mandolinen, die in Abwechslung mit zwei Barytons spielen, mit im Basso continuo Violoncello und Kontrabass.

Die CD mit Ausschnitten aus Vokalwerken zeigt eindrucksvoll, wie originell Conti war. Das macht es umso unverständlicher, dass nur wenig Musik aus seinem Oeuvre auf CD erhältlich ist. Hoffentlich wird das sich mal ändern. Jedenfalls rate ich jedem, sich nach Einspielungen seiner Werke umzusehen. Diese CD ist ein guter Anfang, denn sie ist besonders unterhaltsam und abwechslungsreich, dank der Fantasie Contis und auch dank der hervorragenden Darbietungen der Sänger und Instrumentalisten. Sie macht richtig süchtig nach mehr.

Francesco Bartolomeo Conti: "Bravo! Bene! Arie con varie strumenti"
Hana Blažíková, Sopran; Valer Sabadus, Franz Vitzthum, Altus; Florian Götz, Bariton; nuovo aspetto
CPO 555 552-2 (© 2023) Details

Mittwoch, 26. März 2025

Musik mit Lyra viol - Friederike Heumann



Kaum irgendwo in Europa wurden im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts soviele Lieder für Singstimme und Laute komponiert und gedruckt als in England. Solche Lieder wurden oft in verschiedenen Besetzungen angeboten. Sie konnten von einer Singstimme und Laute dargestellt werden, aber auch mehrstimmig, mit oder ohne Instrumentalbegleitung. Die Laute war das favorisierte Begleitinstrument, aber auch ein Gambenensemble oder ein einziges Streichinstrument konnte verwendet werden.

Ein produktiver Komponist solcher Lieder war Robert Jones (c1577-1617). Er veröffentlichte fünf Bücher mit Liedern, die nicht generell positiv empfangen wurden. Und auch heute gibt es Musikwissenschaftler, die sich kritisch über seine Lieder geäussert haben. Umso bemerkenswerter ist es, dass Friederike Heumann sie zum Kern eines Programms gemacht hat, in dem sie mittels Vokal- und instrumentalmusik von Zeitgenossen - darunter einigen kaum bekannten - in ihren historischen Zusammenhang gestellt werden.

Im Programm kommt der Lyra viol eine besondere Bedeutung zu. Es gibt keine Einstimmigkeit zur Frage, ob es sich dabei um ein eigenständiges Instrument handelt oder um eine 'konventionelle' Viola da gamba. Ein Merkmal der Lyra viol ist, dass man darauf mehrstimmig spielen kann. Tobias Hume sah die Lyra viol als der Laute ebenbürtig, eine Auffassung, die von John Dowland kräftig widersprochen wurde.

Trotz der kritischen Kommentare gefallen mir die Lieder von Jones sehr gut. Sie verdienen ihren Platz im Repertoire, und die Begleitung von einer Lyra viol macht sie umso attraktiver. Dass sie überzeugen können, ist auch der Interpretation zu verdanken. Diese sind in jeder Hinsicht gelungen. Anna-Lena Elbert verfügt über eine wunderschöne Stimme, und ihre Darbietungen haben mir besonders gut gefallen. Sie ist keine Spezialistin für alte Musik, scheint sich aber in diesem Repertoire ganz wohl zu fühlen. Stilistisch kann sie voll überzeugen, beispielsweise im Bereich der Verzierungen. Sie widmet dem Text grosse Aufmerksamkeit und weiss jedes Lied so zu charakterisieren, dass der Inhalt optimal zur Geltung kommt. Ihre englische Aussprache ist besonders gut. Da englische Kolleg(inn)en meistens auch eine moderne Aussprache pflegen, wäre eine historische Aussprache hier wohl zuviel verlangt.

Auch im instrumentalen Bereich ist hier alles in Ordnung. Friederike Heumanns expressives Spiel ist ein gutes Argument für Tobias Humes Meinung zur Lyra viol. Die Rolle der Harfe ist überraschend: man hört sie selten in englischer Musik dieser Zeit. Man sollte allerdings bedenken, dass William Lawes Consortmusik mit Harfe komponierte.

Alles in allem: eine sehr erfreuliche Produktion, die einem Komponisten gewidmet ist, der kaum bekannt ist und besser ist als sein Ruf, und alles auf glanzvolle Weise dargeboten.

"Dreames and Imaginations - Poeticall Musicke to be sung to the Lyra viol"
Anna-Lena Elbert, Sopran; Friederike Heumann, Viola da gamba, Lyra viol; Angélique Mauillon, Harfe; Evangelina Mascardi, Laute
TYXart - TXA 21162 (© 2024) Details

Mittwoch, 19. März 2025

Aumann: Passionsoratorium - Gunar Letzbor



Dass die Musik von Franz Joseph Aumann (1728-1797) nicht völlig unbekannt geblieben ist wie sie lange Zeit war, verdanken wir fast ganz Gunar Letzbor. Er stöbert gerne in Archiven herum, und dem Archiv des Augustiner-Chorherrenstifts St. Florian gilt sein besonderes Interesse, auch weil er enge Verbindungen zum Stift pflegt, wegen der St. Florianer Sängerknaben, die oft an seinen CD-Aufnahmen beteiligt sind. Dort stiess er vor Jahren auf das Oeuvre von Aumann, der im Jahre 1753 in das Kloster eintrat, und dort von 1755 bis zu seinem Tode als regens chori wirkte. Sein Oeuvre wird auf um die 300 Werke geschätzt. Die Tatsache, dass viele seiner Werke an anderen Orten aufgefunden worden sind, ist ein Indiz für die Wertschätzung, die ihm zuteil geworden ist. Sogar Anton Bruckner, der von 1845 bis 1855 u.a. auch als regens chori wirkte, schätzte Aumanns Musik.

Letzbor nahm 2008 Aumanns Requiem auf, vor einigen Jahren gefolgt von einem Programm mit Kammermusik. Im vergangenen Jahr (aber zu spät für eine Besprechung zur richtigen Zeit) erschien die Aufnahme eines Passionsoratoriums: das Oratorium de Passione Domini nostri Jesu Christi. Wann das Werk entstanden ist, scheint nicht bekannt zu sein, aber es wurde höchstwahrscheinlich an einem Karfreitag aufgeführt. Es gehört zur Tradition des sepolcro, wie es im 17. bis zum frühen 18. Jahrhundert am Kaiserhof zu Wien aufgeführt wurde. Offensichtlich wurde diese Tradition anderswo kopiert bzw. fortgesetzt. Das Werk steht auch in der Tradition des Passionsoratoriums, in dem nicht die Leidensgeschichte selbst, sondern eher die Reaktionen von Leuten um Jesus herum im Mittelpunkt stehen. Dieses Werk weicht davon dann wieder ab, indem hier keine biblische Charaktere, sondern nur allegorische Figuren auftreten: der Glaube (Sopran), die Hoffnung (Alt), die Liebe (Tenor) und der Sünder (Bass). Der letztere ist die Hauptperson: die anderen drei sollen ihn davon überzeugen, dass er aus seinem Sündenschlaf erwachen soll und sich, im Anblick des Kreuzes und des sterbenden Jesus, sich bekehren und büssen soll. Somit könnte man dieses Werk als eine Moralität bezeichnen.

Das Ziel eines solchen Werkes war, die Zuhörer zu berühren und sie zur Identifikation mit dem Sünder zu bringen. Ein Werk wie dieses passt ganz zum Ideal der Gegenreformation: dem Durchschnittsgläubigen die Lehren der Kirche zu übertragen. Das gefühlsbetonte Idiom dieses Werkes ist dazu wohl geeignet. Man höre beispielsweise die erste Arie: ein ungewohnt langes Stück, in einem langsamen Tempo gesungen, mit einer obligaten Violastimme, in der der Sünder - eigentlich dem Schluss vorwegnehmend - Reue über seine Sünden äussert und um Vergebung bittet. Alexandre Baldo identifiziert sich ganz mit dem Charakter und bringt eine äusserst indringliche und ergreifende Interpretation. Durch das ganze Werk hindurch dringt er tief in seine Partie hinein; seine Darstellungen sind eine Meisterleistung.

Die anderen Interpreten stehen ihm wenig bis nichts nach. Alois Mühlbacher ist differenziert in seiner Arie, sowohl musikalisch als in der Interpretation des Textes. Markus Miesenbergers schöne und flexible Stimme eignet sich perfekt für die Arie der Liebe; die wäre in einer Oper nicht fehl am Platz. Die Partie des Glaubens wird von zwei Solisten der St. Florianer Sängerknaben gestaltet, wie das in Aumanns Zeit ohne Zweifel auch gemacht wurde. Dieser Chor hat immer exzellente Solisten in seiner Reihe, und diese beiden sind dafür gute Beispiele. Sie singen technisch makellos; einzige Stellen hätten vielleicht etwas klarer ausgemalt werden können und sie hätten sich in den Rezitativen etwas mehr Freiheit nehmen sollen. Insgesamt verdienen ihre Darstellungen aber Lob. Das Ensemble spielt alert und farbenreich und lotet die Affekte jeder Arie voll aus.

Ich bin von diesem Oratorium ziemlich beeindruckt. Es hat viel Mühe gekostet, das Material aus verschiedenen Quellen zu sammeln und zu einer ausführbaren Partitur zusammenzufügen. Diese Mühe hat sich aber gelohnt, und Letzbor gebührt Dank für seine Arbeit. Es ist zu hoffen, dass die Partitur veröffentlicht wird, denn angesichts des Herangehens an die Passionsgesichte und der Qualität der Musik ist dieses Oratorium eine echte Bereicherung des Passionsrepertoires.

Franz Joseph Aumann: "Passionsoratorium"
Fabio Alves Pereira, Kendrick Nsambang [soli], Laurenz Oberfichtner, Valentin Werner [tutti], Sopran; Alois Mühlbacher, Altus; Markus Miesemberger, Tenor; Alexandre Baldo, Bass; Ars Antiqua Austria/Gunar Letzbor
Accent ACC 24405 (© 2024) Details

Donnerstag, 13. März 2025

Blockflötenkonzerte aus Sanssouci - Isaac Makhdoomi



Blockflötisten sind immer auf der Suche nach Repertoire. Ihr Instrument wurde im Barockzeitalter hauptsächlich von Laien gespielt, und deswegen ist die Musik, die originell für die Blockflöte komponiert wurde, nicht oft technisch anspruchsvoll. Im Jahre 2023 erschien eine CD, auf der Isaac Makhdoomi Konzerte von Vivaldi spielt. Sie stellen aus technischer Sicht eine Ausnahme da, denn sie sind äusserst virtuos, und waren wahrscheinlich für einen Profi bestimmt, allerdings keinen professionellen Blockflötisten, denn solche gab es damals nicht, aber einen professionellen Oboisten.

Für die hier besprochene CD hat Makhdoomi drei Konzerte von Komponisten, die eng mit dem Hofe Friedrichs des Grossen verbunden waren, ausgesucht. Der Titel stimmt natürlich nicht: es wurden für den Hof Friedrichs keine Blockflötenkonzerte geschrieben, denn die Blockflöte war schon ganz von der Traversflöte verdrängt worden. Alle drei Konzerte sind ursprünglich für andere Instrumente konzipiert worden, und zwei Konzerte mussten transponiert werden um sie auf der Blockflöte spielen zu können.

Das gilt für das Konzert in G-Dur von Johann Joachim Quantz, das ursprünglich für die Traversflöte geschrieben wurde, und hier nach A-Dur transponiert wurde. Die Interpretation ist relativ gut gelungen, vor allem da Quantz - ganz nach dem Geschmack Friedrichs - das galante Idiom pflegte. Tiefe Gefühle will es nicht ausdrücken. Allerdings ist die Kadenz im zweiten Satz übertrieben lang.

Beim Konzert in d-Moll (Wq 22) von Carl Philipp Emanuel Bach sieht es anders aus. Die Blockflöte ist nicht gut geeignet für den gefühlsbetonten Stil, den Bach bevorzugte. Die Artikulation wirkt unnatürlich und geht auf Kosten der Phrasierung, und die Blockflöte ist zu frisch und fröhlich, um den Gefühlsausdrücken dieses Konzerts gerecht zu werden.

Das dritte Werk ist das Konzert in e-Moll für Violine, hier transponiert nach d-Moll, von Franz Benda. Er wurde insbesondere geschätzt für die Interpretation der Adagios seiner eigenen Konzerte. Auch hier zeigt sich, dass Musik und Instrument nicht gut zusammenpassen. Dazu kommt noch das typisch geigerische Idiom, das sich nicht so leicht auf ein ganz anderes Instrument übertragen lässt.

Als eine Art von Bonus spielt Makhdoomi eine Arie aus der Oper L'Orfeo von Carl Heinrich Graun. Es ist eine tragische Arie, aber das würde man nicht merken, wenn man das Original oder den Text nicht kennt (der übrigens im Textheft abgedruckt wurde).

Makhdoomi ist ein exzellenter Blockflötist, und das zeigt er hier. Auch sein Ensemble ist sehr gut. Leider können beide, und insbesondere Makhdoomi, in diesem Repertoire nur bedingt überzeugen.

"Recorder Concertos from Sanssouci"
Isaac Makhdoomi, Blockflöte; Ensemble Piccante
Prospero PROSP0112 (© 2025) Details

A Trè: Violoncellotrios des 18. Jahrhunderts - Tiefsaits

Von der Mitte des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts war die Triosonate die beliebteste Form von Kammermusik. Triosonaten waren meiste...