Dienstag, 30. Januar 2024

Les Hautbois à la Chambre du Roi - Syntagma Amici



Vor einigen Jahren erschien beim Label Ricercar eine CD des Ensembles Syntagma Amici unter dem Titel "Fastes de la Grande Écurie". Darin wurde die Entwicklung des Repertoires dokumentiert, das am Hofe zu Frankreich gespielt wurde, vor allem von der Grande Écurie. Während unter Ludwig XIII. noch Instrumente gespielt wurden, die im 16. Jahrhundert wurzelten, erklangen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, als Ludwig XIV. die Regerung übernommen hatte, 'Barockinstrumente', wie Trompete, Oboe und Fagott. Sie spielten vor allem in der Freiluft, und der laute und penetrante Klang dieser Instrumente war dafür wie geschaffen. Als man die Oboe und das Fagott aber auch in den Kammermusikaufführungen am Hofe einsetzen wollte, war eben dieser Klang ein Problem. Die anderen Instrumente, wie Violine, Viola da gamba und Laute, würde überstimmt werden. Ausserdem waren sie zu hoch gestimmt. Deswegen war eine technische Anpassung notwendig, und dafür waren Mitglieder zweier Familien von Spielern und Instrumentenbauern zuständig: die Hotteterres und die Philidors.

Die jetzt vorliegende CD ist die Fortsetzung der soeben erwähnten. Sie zeigt, wie die rekonstruierten Instrumente am Hofe funktionierten. Das Programm ist so zusammengestelt, dass es einen Tag im Leben Ludwigs XIV. musikalisch dokumentiert. Musik erklang an allen wichtigen Momenten des Tages. Der erste Abschnitt ist dem Aufstehen des Königs gewidmet; dabei erklingt unter anderem die Sonate La Sultanne von François Couperin. Es folgt dann die tägliche Messe - neben einer Ouvertüre von Charpentier hören wir hier eine Motette von André Campra. Dann gibt es ein Konzert für den König, und darin erklingen das 11e Concert von Couperin und eine Sonate von Antoine Dornel. Tanzen gehörte zu den wichtigsten Beschäftigungen von Monarchen und Aristokraten, und so gibt es auch in diesem Programm einen Abschnitt mit Tanzmusik, von Philidor, Marais, La Barre und Visée. Schliesslich erklingt Musik, die hätte gespielt werden können, während der König ins Bett ging.

Diese Produktion ist aus mehreren Gründen interessant. Zum einen erklingt hier eine Mischung aus bekannten Stücken (Couperin) und weniger oder ganz unbekanntem Repertoire (Dornel, Campra, Tänze). Zweitens hören wir hier nicht nur die inzwischen geläufigen Instrumente wie Oboe und Fagott, sondern auch Blockflöten in unterschiedlichen Stimmungen (Tenor und Bass), ein Basskrummhorn, ein Flageolett und ein Schlaginstrument mit dem Namen chapeau chinois. Letztere erklingen vor allem in den Tänzen - genau das Repertoire, das man in Konzerten und CD-Aufnahmen weniger oft hört. Daher ist diese CD besonders aufschlussreich, indem sie dokumentiert, wie bunt das damalige Instrumentarium war. Und sie stellt auch unter Beweis, dass Musik eine überragende Rolle im täglichen Leben am Hofe spielte.

Syntagma Amici ist ein Ensemble von Spezialisten aus Frankreich, und genau wie in der ersten Folge wird auch hier wieder hervorragend gespielt. In der Interpretation hat man sich von den Gewohnheiten von damals leiten lassen, zum Beispiel, wenn ein Satz aus dem 11e Concert von Couperin als Cembalosolo erklingt. Soviel ich weiss, hat man sich hier Freiheiten erlaubt, die damals ganz geläufig waren. Fazit: eine interessante und musikalisch fesselnde Produktion.

"Les Hautbois à la Chambre du Roi"
Syntagma Amici
Ricercar RIC 458 (© 2024) details

Freitag, 26. Januar 2024

De Monte: Madrigali spirituali - Cappella Mariana

Philippus de Monte (1521-1603) war einer der wichtigsten Komponisten seiner Zeit. Er wurde in Flandern geboren, aber war die längste Zeit seines Lebens Kapellmeister im Dienste der Habsburgischen Kaiser, zunächst in Wien, dann in Prag. Damit hatte er eine der begehrtesten Stellen im damaligen Musikleben inne. Er hat ein grosses Oeuvre hinterlassen, das heute kaum Beachtung findet. Er wird mehr oder weniger überschattet von zwei Zeitgenossen, die ebenfalls ein umfangreiches Oeuvre komponiert haben: Orlandus Lassus und Giovanni Pierluigi da Palestrina. De Monte hat nicht nur liturgische Musik komponiert, sondern war auch einer der produktivsten Komponisten von Madrigalen. Das tschechische Vokalensemble Cappella Mariana hat sich einer besonderen Gattung gewidmet: dem madrigale spirituale. Dabei handelt es sich um ein Werk, dass Merkmale des weltlichen Madrigals enthält, aber dessen Text einen geistlichen oder moralischen Inhalt hat. Solche Stücke waren nicht für die Liturgie, sondern für Aufführungen im intimen Kreis gemeint, zur Unterhaltung und Erbauung.

Die Cappella Mariana hat sich fast ganz auf Vertonungen von Texten einer einzigen Poetin konzentiert: Vittoria Colonna. De Monte hat 27 ihrer Texte vertont, und neun davon erklingen hier. Es handelt sich meistens um Sonnetten, die aus zwei Abschnitten von acht bzw. sechs Zeilen bestehen. Dem entspricht die Struktur des Madrigals, das meistens aus zwei Teilen besteht. Obwohl ein Kennzeichen des Madrigals eine enge Verbindung von Text und Musik ist, und Komponisten oft einzelne Wörter oder Zeilen mit sogenannten Madrigalismen hervorheben, hält De Monte sich darin relativ zurück. Vielleicht finden seine Madrigale deswegen nicht die Beachtung, die vergleichbaren Werken anderer Komponisten zuteil wird. De Montes Musik ist nicht plakativ, sondern intim und subtil - Musik für Kenner und weniger für eine breite Zuhörerschaft. Es lohnt sich aber, seine Musik aufzuführen und anzuhören, wie diese CD eindrucksvoll unter Beweis stellt. Und wer genau zuhört, wird durchaus Stellen finden, wo De Monte den Text effektiv in Musik darstellt.

Dabei ist die Cappella Mariana der ideale Interpret. Die SängerInnen wissen genau, wie man mit diesen Stücken umgehen soll, damit sie eine optimale Auswirkung erzielen. Die Stimmen harmonieren ausgezeichnet, und die Intonation ist makellos. Der Text kommt eindringlich herüber, und kein Detail bleibt unbeachtet. Mit dieser CD hat das Ensemble eine Spitzenproduktion vorgelegt, die hoffentlich dazu beiträgt, dass De Montes Musik mehr Beachtung findet.

De Monte: "Madrigali spirituali"
Cappella Mariana/Vojtěch Semerád
Passacaille PAS 1143 (© 2023) details

Dienstag, 9. Januar 2024

Nardini: Sämtliche Werke für zwei Violinen - Ensemble Violini Capricciosi



Pietro Nardini (1722-1793) ist einer von vielen Komponisten, die in ihrer Zeit in hohem Ansehen standen, deren Musik aber heutzutage selten zu hören ist. Er wurde von Giuseppe Tartini auf der Geige unterrichtet, und entwickelte sich zu dessen begabtestem Schüler. Als Virtuose reiste er durch ganz Europa, und von 1768 bis zu seinem Tode wirkte er in Florenz, zunächst als Sologeiger und danach als Kapellmeister am Hofe des Grossherzogs Leopold von Toskanien. Er hatte mehrere Schüler, die sich zu berühmten Solisten entwickelten. Zu seinen Bewunderern zählen Leopold Mozart und Charles Burney.

Nardini's Oeuvre ist nicht besonders gross, aber qualitativ von grosser Bedeutung. Es enthält Solokonzerte für Violine und für Traversflöte, Ouvertüren, Solo- und Triosonaten sowie Duette für Violinen, Streichquartette und einige Cembalowerke. Die Druckausgaben sind meistens undatiert, was es nahezu unmöglich macht die Zeit der Komposition festzustellen. Aufgrund von Nardinis Lebensdaten könnte man meinen, er gehöre zur Zeit der Klassik. Das ist aber nicht ganz korrekt. Seine Streichquartette, die in den frühen 1780er Jahren gedruckt wurden, können dieser Stilepoche zugerechnet werden, aber die Triosonaten, die die hier rezensierte Produktion eröffnen, sind eher spätbarocke Werke. Viele Komponisten des Barock haben mit solchen Stücken auf sich aufmerksam gemacht. Mit Triosonaten konnten sie ihre Fähigkeit im Bereich des Kontrapunkts unter Beweis stellen. Ausserdem waren solche Werke besonders geeignet für technisch gut ausgestattete Laien, und damit wirtschaftlich interessant, vor allem, wenn man andere Instrumente als Alternative erwähnte, insbesondere die unter Laien beliebte Traversflöte. Das ist auch bei Nardinis Triosonaten der Fall. Sie wurden 1768 in London veröffentlicht, und bestehen aus drei Sätzen. Der Einfluss des damals dominanten galanten Stils lässt sich deutlich feststellen. Stilistisch damit zu vergleichen sind 14 Menuette für zwei Violinen und Bass. Das Menuett war eine damals sehr beliebte Form; der Musikwissenschaftler Rudolf Rasch, der die Programmerläuterung verfasste, spricht sogar von einem 'Menuettmanie'.

Im Jahre 1765 erschienen in Paris sechs Duette für zwei Violinen. Stilistisch unterscheiden sie sich nicht wesentlich von den oben erwähnten Stücken, aber technisch stehen sie auf einem höheren Plan. Sie sind nicht für Durchschnittslaien, sondern für Profis und vielleicht technisch besonders begabte Laien bestimmt. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass die Technik der Doppelgriffe hier angewandt wird. In einigen Duetten gibt es aussermusikalische Elemente: im Duett Nr. 3 sind das verschiedene Tiere, im Duett Nr. 4 werden im letzten Satz Hörner imitiert; der Titel lautet La Caccia.

Die Bedeutung dieser Produktion ist schwer zu überschätzen. Diese Musik wird die Musikwelt nicht auf den Kopf stellen, aber alle hier eingespielten Stücke sind wertvolle Erweiterungen des Repertoires. Das gilt insbesondere für die Duette für Violinen ohne Begleitung, denn solche Stücke gibt es nicht so viele. Musikalisch sind sie der interessanteste Teil dieser Produktion. Igor Ruhadze und Daria Gorban zeichnen verantwortlich für hervorragende und spannende Darbietungen. In den Stücken mit Basso continuo werden sie angemessen von Jacopo Ristori (Violoncello) und Anastasiya Akinfina (Cembalo) unterstüzt. Es ist zu hoffen, dass weitere Werke von Nardini in der näheren Zukunft eingespielt werden.

Nardini: "Complete Music for 2 Violins"
Ensemble Violini Capricciosi
Brilliant Classics 96873 (© 2023) details

Das Cembalo in Paris im 18. Jahrhundert

Im 17. Jahrhundert war die Laute das am meisten geschätzte Instrument in Frankreich. Das änderte sich gegen Ende des Jahrhunderts, als das...