Donnerstag, 10. Juli 2025

Geistliche Schätze aus Rom - The London Oratory Schola Cantorum



Dieses Jahr (2025) ist Palestrinajahr. Es wird angenommen, dass Giovanni Pierluigi da Palestrina 1525 geboren wurde (es könnte aber auch Anfang 1526 gewesen sein). Das wird sich in CD-Aufnahmen und Konzerte niederschlagen. Einige CDs mit seiner Musik sind schon erschienen, und es werden noch weitere folgen. Auch die hier zu rezensierende CD ist ein Beitrag zum Palestrinajahr.

Palestrinas Musik wird nicht allgemein geschätzt. Jeder liebt Josquin, aber Palestrina... Es gibt nicht wenige, die seine Musik langweilig und wenig spannend finden. Der Grund liegt möglicherweise im 19. Jahrhundert. Damals gab es die Cäcilienbewegung, die eine Reform der katholischen Kirchenmusik anstrebte. Palestrina wurde als das grosse Vorbild sauberer Kirchenmusik schlechthin hochstilisiert. Es mündete in die Ausgabe seiner Musik und in Aufführungen von auch heute noch bekannten Werken, wie der Missa Papae Marcelli, dem Stabat mater und der Motette und Messe Tu es Petrus. Die Aufführungen waren in erster Linie wohl romantisch, was als Reaktion Aufführungen auslöste, die streng und geradlinig waren. Beide Extreme sind heute rar, aber in Sachen Aufführungspraxis hat sich noch nicht viel getan.

Ein interessanter Ansatz kam vom Chor der Sixtinischen Kapelle unter der Leitung von Massimo Palombella, aber seit er entlasssen wurde, scheint dieser Prozess zum Stillstand gekommen zu sein. Dabei war dieser Chor wie kaum ein anderer geeignet, neue Wege einzuschlagen. Es ist ein Kirchenchor, der diese Musik in seiner liturgischen Funktion kennt und aufführt, was von einem professionellen Vokalensemble nicht zu erwarten ist. Und er besteht, wie in Palestrinas Zeit, aus Knaben- und Männerstimmen, was heute leider rar ist.

Auch die London Oratory Schola Cantorum besteht aus Knaben- und Männerstimmen, und geht an diese Musik aus einer liturgischen Perspektive heran. Das ist eine der Stärken dieser Produktion: die Sänger kennen die Musik nicht nur vom Stil her, aber auch vom Inhalt und von ihrer liturgischen Bedeutung her. Dieser Chor mag etwas weniger bekannt sein, vor allem ausserhalb des Vereinigten Königreichs, als die Chöre aus Cambridge und Westminster, aber er ist qualitativ diesen keineswegs unterlegen. Diese Aspekte sorgen dafür, dass diese CD zeigt, dass Palestrinas Musik alles andere als langweilig ist. Es ist hilfreich, dass der Dirigent Charles Cole im Textheft auf subtile Textdeutungen hinweist. Das sind keine Madrigalismen, aber sie sind durchaus effektiv.

Palestrina wird hier auch in seinen historischen Kontext gestellt, indem es auch Motetten von Kollegen, Schülern und Enkelschülern gibt. Darunter sind mehrere, die heutzutage kaum bekannt sind. Das macht diese Produktion umso wertvoller.

Von historischer Aufführungspraxis kann hier nicht die Rede sein. Diese betrifft Sachen wie die Zahl der Sänger, das Verhältnis der verschiedenen Stimmgruppen und die Stimmung. Von einem Chor wie diesem, der wahrscheinlich auch viel spätere Musik singt, darf das wohl kaum erwartet werden. Das soll die Bedeutung dieser Produktion keineswegs schmälern. Sie ist ein wichtiger und erfreulicher Beitrag zum Palestrina-Gedenkjahr.

"Sacred Treasures of Rome"
The London Oratory Schola Cantorum/Charles Cole
Hyperion CDA68435 (© 2025) Details

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