Mittwoch, 16. Juli 2025

Crossing Borders - La Serenissima/Adrian Chandler



Viele deutsche Komponisten des Spätbarock waren Vertreter des 'vermischten Geschmacks', allen voran Georg Philipp Telemann. Obwohl er anfänglich dem italienischen Stil kritisch gegenüberstand, und den französischen Stil bevorzugte, integrierte er doch Elemente des Erstgenannen in seine Werke, insbesondere in seine Konzerte für eine oder mehrere Soloinstrumente. Das britische Ensemble La Serenissima hat sich in den letzten Jahren ausführlich mit dem italienischen Stil in Deutschland befasst, unter anderem mit einigen Aufnahmen mit Werken von Giuseppe Antonio Brescianello, der in Stuttgart wirkte. Auch in der hier zu rezensierende Produktion ist er wieder dabei.

Eine der Hauptfiguren ist Telemann. Er ist mit zwei bekannten Werken vertreten: dem Konzert für Traversflöte in D-Dur (TWV 51,D2) und dem Doppelkonzert in e-Moll (TWV 52,e1). Letzteres Werk, für Blockflöte und Traversflöte, ist eines seiner beliebtesten Konzerte. Adrian Chandler, der Leiter des Ensembles, bezeichnet die Kombination dieser Instrumente als ungewöhnlich. Das ist einer der Merkmale des Oeuvres von Telemann: er liebte es, Stücke für unkonventionelle Instrumentenkombinationen zu schreiben. Ein Beispiel ist auch das hier aufgenommene Trio für Traversflöte, Viola d'amore und Basso continuo in D-Dur, das nur selten auf CD aufgenommen worden ist. Es ist einer der Höhepunkte dieser CD.

Um dem Titel dieser CD gerecht zu werden, sollten auch italienische Komponisten zu Wort kommen. Vivaldi kann da wohl nicht fehlen. Von ihm erklingt das Blockflötenkonzert in F-Dur (RV 442). Das ist ein bekanntes Werk, das von vielen Blockflötist*innen gespielt wird. Interessant ist aber, dass hier auch noch eine Alternative für den Mittelsatz erklingt. Vivaldi has es angefangen: der A-Abschnitt ist komplett; nach drei Takten hat er den B-Abschnitt aber abgebrochen. Chandler hat es vervollständigt.

Zu den wenig bekannten Werken gehört eine Blockflötensonate von Ignazio Sieber. Ursprünglich hiess er Ignaz, was darauf hinweist, dass er aus der deutschsprachigen Welt stammte. Er war zuerst als Oboenlehrer an der Ospedale della Pietà in Venedig tätig, und später als Lehrer für Traversflöte. Oboisten spielten meistens auch die Blockflöte, und so erklingt eine seiner Sonaten hier. Es ist ein schönes Werk, das sehr nach Vivaldi klingt. Und - wie gesagt - auch Brescianello ist wieder vertreten, hier mit einer Triosonate für zwei Violinen und Basso continuo, übrigens Concerto genannt.

Diese CD ist eine gute und abwechslungsreiche Mischung aus bekannten und unbekannten Stücken. Man könnte meinen, etwas mehr unbekannte Stücke wären zu bevorzugen, aber die Interpretationen der bekannten Werke können mit den schon verfügbaren mühelos mithalten. Wir sind hier von den früheren, zurückhaltenden Darbietungen italienischer und deutscher Musik von britischen Ensembles weit entfernt. Die Aufführungen sind einfach spitze. Das liegt am Ensemble, aber mit Sicherheit auch an den zwei Solistinnen: Tabea Debus (Blockflöte) und Katy Bircher (Traversflöte). Dazu gibt es noch Adrian Chandler selbst auf Violine und Viola d'amore.

Thematisch ist dieses Programm interessant und instruktiv, und alle Musik wird auf dem höchsten Niveau dargeboten. Diese CD soll ein Liebhaber von Barockmusik sich nicht entgehen lassen.

"Crossing Borders"
Tabea Debus, Blockflöte; Katy Bircher, Traversflöte; La Serenissima/Adrian Chandler
Signum Classics SIGCD918 (© 2025) Details

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Crossing Borders - La Serenissima/Adrian Chandler

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