Freitag, 29. März 2024

CPE Bach: Sonaten für Klavier und Violine - Kristian Bezuidenhout, Rachel Podger

In meiner CD-Sammlung habe ich eine stattliche Zahl von Aufnahmen der Sonaten für Cembalo und Violine von Johann Sebastian Bach. Fast jedes Jahr erscheint eine neue Aufnahme, und die Liste der verfügbaren Aufnahmen wächst stetig. Im Vergleich schneiden die Sonaten für die gleiche Besetzung, die Bachs Sohn Carl Philipp Emanuel zu Papier gebracht hat, viel weniger gut ab. Sie sind zwar alle auf CD erschienen, und vor einigen Jahren erschien eine Gesamtaufnahme des Duos Belder Kimura (Resonus Classics, 2017), aber in Konzerten hört man sie kaum und sie gehören bei weitem nicht zum Standardrepertoire. Wer sie kennt, mag sich wundern, was die Ursache sein könnte. Auf jeden Fall ist es positiv zu bewerten, wenn Musiker der Spitzenklasse wie Kristian Bezuidenhout und Rachel Podger sich diesen Sonaten widmen.

Sie bieten eine Übersicht des Schaffens von Emanuel Bach in dieser Besetzung. Das Programm fängt mit der Sonate in G-Moll an, die früher dem Vater zugeschrieben und als BWV 1020 in den Schmieder-Katalog aufgenommen wurde. Später hat man dieses Werk dem Sohn zugeschrieben, aber es gibt keine Sicherheit über die Autorschaft. Daher ist es zu bedauern, dass die BWV-Nummer in der Trackliste gar nicht erwähnt wird. Falls sie von Emanuel stammt, hat er sie vielleicht unter Aufsicht seines Vaters komponiert, wie auch die Sonate in D-Dur (Wq 71), die das Programm abschliesst. Dazwischen stehen zwei Sonaten einer Gruppe von vier, die 1763 entstanden sind, sowie die Arioso con variazioni des Jahres 1780. In letzterem Werk zeigt sich vor allem die Empfindsamkeit, die als Merkmal des Schaffens von Emanuel Bach gilt. Die Sonate in H-Moll (Wq 76) ist ein dramatisches Werk, vor allem wegen der Interventionen der Geige. Der Mittelsatz der Sonate in C-Moll (Wq 78) ist sehr ausdrucksreich.

Man kann es diesen beiden Künstlern überlassen, die Merkmale der Sonaten ans Tageslicht zu bringen. Ihr Spiel ist makellos, und sie harmonieren perfekt. Sie machen klar, dass diese Sonaten zu Unrecht vernachlässigt werden. Deswegen würde ich diese Aufnahme gerne empfehlen, wenn es da nicht einen Haken gäbe. In den zwei frühesten Sonaten spielt Bezuidenhout ein Cembalo, und das ist zweifellos richtig. In der Arioso spielt er ein Fortepiano, und angesichts der Zeit der Entstehung ist das plausibel. Allerdings ist die Wahl einer Kopie eines Walter-Flügels des Jahres 1805 alles andere als plausibel. Dieses Instrument versetzt uns in die Klangwelt von Beethoven. Schlimmer noch ist, dass Bezuidenhout dieses Instrument auch benutzt in den Sonaten von 1763. Es ist äusserst unwahrscheinlich, dass Emanuel damals schon das Fortepiano gespielt hat, und wenn schon, dann einen Silbermann, und das ist eben ein ganz anderes Instrument als ein Walter.

Es ist mir ein Rätsel, weshalb Musiker, die sich der historischen Aufführungspraxis versprochen haben, sich so wenig um die Verwendung 'historisch korrekter' Instrumente scheren. Bezuidenhout ist gewiss nicht der Einzige. Wie gut hier auch gespielt wird, die Wahl des Fortepianos tut der Überzeugungskraft der Interpretation erheblichen Abbruch.

CPE Bach: "Sonatas for Keyboard & Violin"
Kristian Bezuidenhout, Cembalo, Fortepiano; Rachel Podger, Violine
Channel Classics CCSSA41523 (© 2023) details

Freitag, 1. März 2024

Le berger innocent - Ensemble Danguy



Im 18. Jahrhundert entstand ein lebhaftes Interesse an Musik, die für ein bestimmtes Land oder eine bestimmte Region charakteristisch war. Es war die Zeit der Aufklärung, die das Wissen der Menschen erweitern möchte und die Bedeutung des Lernens betonte. Dies führte zu einer Untersuchung unbekannter Kulturen, insbesondere aussereuropäische. Dies erklärt die Stellen von Türken, 'Indianern' oder Inkas in der französischen Musik des 18. Jahrhunderts. Das bekannteste Beispiel ist Jean-Philippe Rameaus Oper Les Indes galantes. Komponisten interessierten sich auch für die traditionelle Musik ihres eigenen Landes. In England zeigten mehrere Komponisten Interesse an traditioneller Musik aus Schottland, sogar Einwanderer wie Francesco Geminiani. Damit einher ging eine zunehmende Sehnsucht nach 'Natürlichkeit', wie sie etwa bei Giuseppe Tartini, aber auch bei Christoph Willibald von Gluck im Bereich der Oper zum Ausdruck kommt.

In Frankreich idealisierten Maler, Schriftsteller und Komponisten das natürliche und einfache Leben auf dem Lande. Das Wort champêtre taucht immer wieder in Musikwerken auf. Zwei Instrumente galten als typisch für das Landleben: die Vielle (Drehleier) und die Musette. Komponisten von Ruf, die wir heute noch kennen, wie Joseph Bodin de Boismortier, haben dafür Musik komponiert, aber die virtuosesten Stücke stammen von Spezialisten auf diesen Instrumenten, deren Namen fast ganz vergessen sind, wie Monsieur Ravet, Jean-Baptiste Dupuits und Jean-François Boüin. Dank Tobie Miller werden sie hetzutage wieder zu einiger Bekanntheit verholfen. Mit ihrem Ensemble Danguy hat sie vor einigen Jahren eine CD aufgenommen mit Sonaten, die zeigen wie hochentwickelt die Kunst des Spiels auf der Drehleier war, und dass es alles andere als ein 'primitives' Instrument ist. Auf ihrer neuesten CD wird das Repertoire ausgeweitet mit Stücken für zwei Drehleier (die zweite wird von Alice Humbert gespielt) und für Drehleier und Musette; letzteres Instrument spielt François Lazarevitch. Dazu kommen noch einige Vokalwerke, in der Monika Mauch zu hören ist. Die sogenannten cantatilles (kleine Kantaten) sind relativ einfach, und sind zweifellos für musikalische Laien bestimmt. Die Sonaten dagegen gehen wohl weit über ihre Fähigkeiten hinaus, und sind für Profis gedacht.

Diese Produktion bietet ein faszinierendes Bild der französischen (Musik)-Kultur, und beleuchtet einen Aspekt, den wir vielleicht aus den Büchern und Gemälden kennen, der in der Musik aber selten Beachtung findet. Tobie Miller ist eine echte Virtuosin auf ihrem Instrument, und ihr Spiel ist oft schlicht atemberaubend. Ihre Kollegen stehen ihr in nichts nach. Monika Mauch ist eine versierte Sängerin, und es ist immer eine Freude, sie zu hören. Schön, dass hier eine historische Aussprache gepflegt wird. Insgesamt ist diese CD eine echte Bereicherung der Diskographie und das Programm ist von Anfang bis Ende unterhaltsam, wegen der Qualität der Musik und des Niveaus der Interpretation.

"Le berger innocent"
Ensemble Danguy/Tobie Miller
Ricercar RIC 448 (© 2024) details

Das Cembalo in Paris im 18. Jahrhundert

Im 17. Jahrhundert war die Laute das am meisten geschätzte Instrument in Frankreich. Das änderte sich gegen Ende des Jahrhunderts, als das...