Donnerstag, 1. Mai 2025
Lusitano: Liber Primus Epigramatum - Arte Minima
Musik der Renaissance von der iberischen Halbinsel wird oft aufgeführt und aufgenommen. Trotzdem gibt es noch viele Komponisten, die kaum bekannt sind. Dazu gehört auch Vicente Lusitano (um 1520 - nach 1561). Er wurde im portugiesischen Olivença (heute Olivenza, Spanien) geboren. Über seine Ausbildung wissen wir so gut wie nichts. Möglicherweise war sein Lehrer ein gewisser Pero Brujel oder Brugel, wahrscheinlich ein Komponist flämischer Herkunft. Wenn das stimmt, lässt sich vielleicht daraus erklären, dass Lusitano stark von Josquin Desprez und Nicolas Gombert beeinflusst wurde.
In den späten 1580er Jahren ging er nach Rom, wo 1551 die Sammlung von Motetten veröffentlicht wurde, aus der die Werke stammen, die das Ensemble Arte Minima aufgenommen hat. Zwei Jahre später veröffentlichte Lusitano ein theoretisches Werk, das aus einem Disput mit seinem Kollegen Nicolà Vicentino hervorging. "Im Mittelpunkt dieser Debatte standen die gegensätzlichen Auffassungen über die Interpretation theoretischer Konzepte aus der griechischen Antike im 16. Jahrhundert, insbesondere über die Stimmung bestimmter musikalischer Intervalle, ein Thema, das ein so differenziertes Verständnis erfordert, dass es an die Grenzen der menschlichen Wahrnehmung stößt", schreibt Pedro Sousa Silva im Textheft. Die Folge war, dass später Lusitano fast nur als Theoretiker wurde, und seine Musik in Vergessenheit geriet.
Sie scheint schon damals wenig Anklang gefunden zu haben, was ein Musikwissenschaftler mit der Schwierigkeit der Mittelstimmen in Verbindung bringt, die in einigen Motetten sogar für eine instrumentale Darstellung gemeint zu sein scheint. In dieser Aufnahme wurde das Problem so gelöst, dass Blockflöten mitspielen und Lücken auffüllen. Das wird auch dadurch motiviert, dass diese Motetten vielleicht nicht für die Liturgie, sondern für Privatandachten gemeint sind. Solche Musik wird oft als musica reservata oder musica secreta bezeichnet.
Das rechtfertigt auch eine solistische Besetzung. Trotzdem ist der Text oft nicht optimal verständlich. Daran sind nicht die Sänger schuld, sondern die Dichte des polyphonen Gewebes. Vor allem darin, und im Mangel an Atempausen, zeigt sich der Einfluss von Gombert. Josquins Einfluss kommt in zwei Motetten zum Ausdruck, die Lusitano bearbeitet hat: Inviolata, integra et casta es und Praeter rerum seriem. In beiden Fällen hat er die Zahl der Stimmen von fünf bzw. sechs auf acht erweitert.
Im Jahre 1561 konvertierte Lusitano zum Protestantismus. Er bewarb sich vergebens um eine Stelle am Württembergischen Hof in Stuttgart. Danach verschwindet er in die Finsternis der Geschichte. Was aus ihm geworden ist, wissen wir nicht. Es ist schön, dass Arte Minima ihm ein klingendes Denkmal gesetzt hat. Seine Musik verdient es, dargestellt zu werden, und die Qualität der Interpretation lässt ihr Gerechtigkeit widerfahren. Das Ensemble wird sich weiterhin mit Lusitano beschäftigen. Auf weitere Aufnahmen dürfen wir uns freuen.
Vicente Lusitano: Liber Primus Epigramatum (1551)
Arte Minima/Pedro Sousa Silva
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