Freitag, 11. April 2025

Musik aus der Bokemeyer Sammlung - Musica Gloria



Die Geschichte ist nicht immer gerecht. Eine wichtige Quelle deutscher Musik des 17. Jahrhunderts ist die sogenannte Bokemeyer Sammlung. Der Name verweist auf den Komponisten Heinrich Bokemeyer (1679-1751), dem diese Sammlung gehörte. Aber ihr Urheber war sein Lehrer, Georg Österreich (1664-1735), und er ist derjenige, der sie zum grössten Teil zusammengestellt hat. Leider ist er fast vergessen, und wenn sein Name erwähnt wird, dann fast ausschliesslich wegen dieser Sammlung. Daher ist es schön, dass die Aufnahme, die das belgische Ensemble Musica Gloria dieser Sammlung gewidmet hat, zwei seiner Werke enthält, und dass er auf der Titelseite mit Namen erwähnt wird.

Obwohl die Bokemeyer Sammlung oft für Konzertprogramme und CD-Aufnahmen verwendet wird, ist es dem Ensemble gelungen, ein ganzes Programm mit Stücken aufzunehmen, die noch nicht auf CD erhältlich sind. Das erhöht den Wert dieser Produktion. Die meisten aufgenommenen Werke wurzeln stilistisch im 17. Jahrhundert. Das kommt in der Instrumentalbesetzumg zum Ausdruck, die meistens fünfstimmig ist, mit zwei Bratschen. Ausserdem gibt es nur kurze Soloabschnitte, die sich mit Episoden für das ganze Ensemble abwechseln.

Neben Georg Österreich sind hier dessen Bruder Michael sowie Johann Theile, Johann Philipp Förtsch und Johann Friedrich Meister vertreten. Die meisten Komponisten hatten, wie Österreich, Verbindungen zum Hofe zu Gottorf, der um die Jahrhundertmitte ein musikalisches Zentrum im Norden Deutschlands war.

Zwei Komponisten sind mit Werken zu hören, die in die Zukunft weisen. Von Bokemeyer erklingt eine Solokantate, die aus Rezitativen und Arien besteht - ein deutliches Zeichen des Einflusses der italienischen Oper. Das zweite Werk ist von dem gebürtigen Italiener Giulio Giuliani, von dem wenig mehr bekannt ist als dass er als Gesangslehrer am Hofe zu Wolfenbüttel wirkte, wo Österreich sein Kollege war. Seine kurze Motette hat eine Struktur, die im 18. Jahrhundert in Italien zum Standard wurde: Arie - Rezitativ - Arie - Alleluia.

Eine Besonderheit dieser Produktion ist die Mitwirkung von Oboen. Die Oboe wurde um die Mitte des 17. Jahrhunderts in Frankreich entwickelt und verbreitete sich dann über ganz Europa. In Deutschland waren mehrere Aristokraten unter dem Eindruck des Musiklebens am Hofe in Frankreich, und wollten das nur allzu gerne kopieren. Dazu gehörten auch Instrumente, wie die Oboe. Die Komponisten der hier aufgeführten Kantaten gehören wohl zu den ersten, die in ihre geistlichen Werke Partien für Oboe(n) integrierten.

Das junge Ensemble Musica Gloria hat sich in kurzer Zeit einen Namen gemacht, und fällt auf wegen der originellen Programmierung wie auch der Gründlichkeit, mit der die Interpretation vorbereitet wird. Auch für diese Produktion hat man sich Gedanken gemacht, was dieses Repertoire verlangt, um optimal zum Klingen zu kommen. Dazu gehört die Verwendung einer grossen Orgel im Basso continuo, was sich auf die Interpretation günstig auswirkt.

Die Sänger bringen alle erstklassige Leistungen, solistisch wie im Ensemble. Der Text steht immer im Mittelpunkt und wird eindrnglich vorgetragen. Das Instrumentalensemble ist auch von grosser Klasse, und lässt sich ebenfalls ganz vom Text leiten.

Diese CD hat alles in sich, um am Jahresende zu einer der CDs des Jahres gekrönt zu werden.

"Georg Österreich's Resurrected Treasures"
Musica Gloria/Nele Vertommen, Beniamino Paganini
Et'cetera KTC 1819 (© 2024) Details

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