Montag, 24. Juni 2024

Berliner Cembalokonzerte - Philippe Grisvard



Johann Sebastian Bach war wohl der erste Komponist, der das Cembalo als Soloinstrument im Orchester verwendete. Das fünfte Brandenburgische Konzert war der erste Versuch in diese Richtung, und später bearbeitete er Konzerte in verschiedener Besetzung für Cembalo und Streicher. Seine Söhne folgten ihm: Carl Philipp Emanuel war der fruchtbarste Komponist solcher Konzerte, die er selbst aufführte, wahrscheinlich vor allem bei den Konzerten der Freitagsakademie in Berlin, gegründet von Johann Gottlieb Janitsch. Auch andere Komponisten haben solche Werke geschrieben. Philippe Grisvard und das Ensemble Diderot haben vier Konzerte für Cembalo und Streicher von Berliner Komponisten aufgenommen. Das heisst: der letzte Komponist im Programm, Ernst Wilhelm Wolf, wirkte nie in Berlin, aber stilistisch gehört er sicherlich zu den 'Berlinern'.

Der bekannteste der vier Komponisten ist zweifellos Carl Heinrich Graun. Es steht nicht hundertprozentig fest, dass das Konzert in D-Dur von ihm und nicht von seinem Bruder Johann Gottlieb stammt, aber da dieser sonst keine Cembalokonzerte komponiert hat und Geiger war, wird angenommen, dass Carl Heinrich der Komponist ist. Es ist im galanten Stil komponiert: im Cembalopart liegt das thematische Material in der rechten Hand, während die linke Hand sich auf eine Begleitfunktion beschränkt. Ausdruck gibt es vor allem im langsamen Satz.

Christoph Schaffrath war Cembalist am Hofe Friedrichs des Grossen, neben Carl Philipp Emanuel Bach. 1741 trat er in den Dienst der Schwester Friedrichs, Anna Amalia. Ihr Geschmack war eher konservativ, und Schaffrath, der wegen seiner Beherrschung des Kontrapunkts auffiel, passte genau dazu. Der erste Satz seines Konzerts in c-moll eröffnet fugatisch. Interessant ist, dass der langsame Satz mit Verzierungen des Komponisten versehen ist, die Grisvard hier auch spielt.

Christoph Nichelmann wurde 1745 als Cembalist am Hofe Friedrichs des Grossen angestellt. Zu Carl Philipp Emanuel Bach hatte er ein problematisches Verhältnis, und im Jahre 1755 nahm er den Hut. Trotzdem ist sein Konzert in d-moll stark von Bach beeinflusst. Der Cembalopart wird immer wieder plötzlich von Einbrüchen der Streicher, die forte gespielt werden, unterbrochen - ein klares Merkmal des Sturm und Drang.

Das Programm schliesst mit dem Konzert in B-Dur von Ernst Wilhelm Wolf, der von 1761 bis zu seinem Tode 1792 im Dienste des Hofes zu Weimar war. Es ist eines von um die 25 Cembalokonzerten, die er komponiert hat; die Mehrzahl ist leider verloren gegangen. Auch hier ist der Einfluss von CPE Bach unverkennbar, aber dann vor allem von dessen späteren Konzerten, die schon in die Richtung des klassischen Stils weisen.

Alle vier Konzerte erscheinen hier zum ersten Mal auf CD, und schon deswegen ist diese Produktion von grosser Bedeutung. Diese Konzerte zeugen von der hohen Qualität des Repertoires, das zur Zeit Friedrichs des Grossen an seinem Hof und in dessen Umfeld gespielt wurde. Die Wahl eines Cembalos scheint mir richtig; das Fortepiano hatte sich zur Zeit noch nicht wirklich durchgesetzt. Auch die Besetzung mit einem Instrument pro Stimme mag wohl den damaligen Aufführungsgewohnheiten entsprechen. Grisvard ist ein exzellenter Interpret, der genau den richtigen Ton trifft. Er nimmt im Bereich der Verzierungen das richtige Ausmass an Freiheiten, ohne je zu übertreiben. Auch der Ausdruck in den langsamen Sätzen kommt nicht zu kurz. Das Ensemble Diderot steht ihm in gewohnter brillianter Weise bei. Kurzum: eine Spitzenproduktion.

"Berlin Harpsichord Concertos"
Philippe Grisvard, Cembalo; Ensemble Diderot
Audax ADX11211 (© 2024) details

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