Donnerstag, 31. Juli 2025

Northern Light - Lucile Richardot, Ensemble Correspondances


In Deutschland wurde im 17. Jahrhundert eine grosse Menge an geistlicher Musik komponiert. Der substantieller Teil wurde nie gedruckt und ist nur in Handschrift erhalten geblieben. Zwei grosse Sammlungen sind wichtige Quellen solchen Repertoires, entweder in Handschriften oder in gedruckten Ausgaben: die Düben-Sammlung und die Bokemeyer-Sammlung. Erstere ist die Quelle, aus der Lucile Richardot und Sébastien Daucé, der Leiter des Ensemble Correspondances, geschöpft haben in der Zusammenstellung eines Programms, das unter dem Titel 'Northern Light' herausgebracht wurde.

Dieser Titel bezieht sich nicht nur auf das Aufbewahrungsort der Sammlung: die Universitätsbibliothek in Uppsala (Schweden), sondern auch darauf, dass mehrere der eingespielten Werke etwas mit Schweden zu tun haben. Es finden sich im Programm zwei Stücke mit schwedischen Titeln. Bei Ack Herre, låt dina helga änglar von Franz Tunder handelt es sich um sein geistliches Konzert Ach Herr, lass deine lieben Engelein. In der Düben-Sammlung ist eine zusätzliche Stimme mit dem schwedischen Text hinzugefügt. I frid vill jag nu fara von Johann Krieger war ursprünglich ein Stück für eine Beerdiging. Diese Stücke werfen ein interessantes Licht auf die Aufführungspraxis am schwedischen Hof, wo Gustav Düben tätig war.

Auch ein anderes Werk von Tunder, das Adventskonzert Hoslanna dem Sohne David, wurde mit einem neuen Text versehen, diesmal einem deutschen: Jubilate et exultate, vivat rex Carolus. Der Anlass war die Krönung König Karls VI. im Jahre 1675. Wenn er 1697 verstarb, erschien eine Reihe von vier Trauergedichten, die von Johann Fischer, der in Riga wirkte (zu jener Zeit Teil des schwedischen Königreichs), vertont wurden. Die Musik ist verlorengegangen, und für diese Aufnahme wurde das erste Gedicht einer Trauermotette aus seiner Feder angepasst.

Einige deutsche Komponisten wirkten in Skandinavien, wie Christian Geist, zuerst in Kopenhagen und dann in Stockholm. Von ihm erklingt Es war aber an der Stätte, da er gekreuziget ward, über die Beerdigung Jesu nach seinem Tode. Christian Ritter wirkte in Stockholm als Sänger und übernahm 1690, nach dem Tode Dübens, dessen Stelle als Leiter der Hofkapelle.

Es finden sich in der Düben-Sammlung nicht nur Werke deutscher Komponisten, sondern Musik aus ganz Europa, darunter auch von italienischen Komponisten, wie Vincenzo Albrici und Marco Gioseppe Peranda. Allerdings war der erstgenannte einige Zeit Sänger am Hofe in Stockholm, bis Königin Christina abdankte und nach Rom übersiedelte. Albrici trat in den Dienst des Hofes zu Dresden, wie später auch Peranda.

Das wohl bekannteste Werk im Programm ist Johann Christoph Bachs Lamento Ach, daß ich Wasser's g'nug hätte. Mit drei Gamben in der Instrumentalbesetzung ist es ein typisch deutsches Werk des 17. Jahrhunderts. Die Präsenz mehrerer tiefen Instrumente - entweder Bratschen oder Gamben - ist einer der Gründe, warum dieses Repertoire solch eine ausdrucksstarke Tiefe besitzt. Ein anderer Grund ist die Konzentration auf den Text, ganz im Sinne von Heinrich Schütz, aber auch in Übereinstimmung mit der Theologie Martin Luthers, in dem sich alles um das Wort Gottes dreht.

Es ist ein Wunder, wie eine Sängerin wie Lucile Richardot dieses Repertoire interpretiert. Oder auch nicht: ich habe noch nie etwas von ihr gehört, das nicht mindestens gut war. Was hier geboten wird, ist Spitzenklasse. Sie verfügt über eine einzigartige Stimme, die als Mezzosopran bezeichnet wird. Aber diese enthält ein kräftiges tiefes Register, mit tenoralen Zügen. Es hilft ihr, alle Ecken und Kanten jedes einzelnen Werkes auszuschöpfen. Sie zeigt ein gründliches Verständnis der Texte und deren Bedeutung, und ihre deutsche Aussprache ist fehlerfrei und idiomatisch. Dazu kommt das exzellente Spiel der Instrumentalisten, die sich ebenfalls ganz vom Text leiten lassen. In einigen Werken treten auch andere Sänger auf, die sich auf der gleichen Wellenlänge befinden.

Fazit: wir haben es hier mit einer absoluten Spitzenproduktion zu tun, die mit Sicherheit zu den besten Aufnahmen des Jahres gehört.

"Northern Light - Echos from 17th-century Scandinavia"
Lucile Richardot, Mezzosopran; Ensemble Correspondances/Sébastien Daucé
Harmonia mundi HMM 905368 (© 2025) Details

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