Freitag, 1. März 2024

Le berger innocent - Ensemble Danguy



Im 18. Jahrhundert entstand ein lebhaftes Interesse an Musik, die für ein bestimmtes Land oder eine bestimmte Region charakteristisch war. Es war die Zeit der Aufklärung, die das Wissen der Menschen erweitern möchte und die Bedeutung des Lernens betonte. Dies führte zu einer Untersuchung unbekannter Kulturen, insbesondere aussereuropäische. Dies erklärt die Stellen von Türken, 'Indianern' oder Inkas in der französischen Musik des 18. Jahrhunderts. Das bekannteste Beispiel ist Jean-Philippe Rameaus Oper Les Indes galantes. Komponisten interessierten sich auch für die traditionelle Musik ihres eigenen Landes. In England zeigten mehrere Komponisten Interesse an traditioneller Musik aus Schottland, sogar Einwanderer wie Francesco Geminiani. Damit einher ging eine zunehmende Sehnsucht nach 'Natürlichkeit', wie sie etwa bei Giuseppe Tartini, aber auch bei Christoph Willibald von Gluck im Bereich der Oper zum Ausdruck kommt.

In Frankreich idealisierten Maler, Schriftsteller und Komponisten das natürliche und einfache Leben auf dem Lande. Das Wort champêtre taucht immer wieder in Musikwerken auf. Zwei Instrumente galten als typisch für das Landleben: die Vielle (Drehleier) und die Musette. Komponisten von Ruf, die wir heute noch kennen, wie Joseph Bodin de Boismortier, haben dafür Musik komponiert, aber die virtuosesten Stücke stammen von Spezialisten auf diesen Instrumenten, deren Namen fast ganz vergessen sind, wie Monsieur Ravet, Jean-Baptiste Dupuits und Jean-François Boüin. Dank Tobie Miller werden sie hetzutage wieder zu einiger Bekanntheit verholfen. Mit ihrem Ensemble Danguy hat sie vor einigen Jahren eine CD aufgenommen mit Sonaten, die zeigen wie hochentwickelt die Kunst des Spiels auf der Drehleier war, und dass es alles andere als ein 'primitives' Instrument ist. Auf ihrer neuesten CD wird das Repertoire ausgeweitet mit Stücken für zwei Drehleier (die zweite wird von Alice Humbert gespielt) und für Drehleier und Musette; letzteres Instrument spielt François Lazarevitch. Dazu kommen noch einige Vokalwerke, in der Monika Mauch zu hören ist. Die sogenannten cantatilles (kleine Kantaten) sind relativ einfach, und sind zweifellos für musikalische Laien bestimmt. Die Sonaten dagegen gehen wohl weit über ihre Fähigkeiten hinaus, und sind für Profis gedacht.

Diese Produktion bietet ein faszinierendes Bild der französischen (Musik)-Kultur, und beleuchtet einen Aspekt, den wir vielleicht aus den Büchern und Gemälden kennen, der in der Musik aber selten Beachtung findet. Tobie Miller ist eine echte Virtuosin auf ihrem Instrument, und ihr Spiel ist oft schlicht atemberaubend. Ihre Kollegen stehen ihr in nichts nach. Monika Mauch ist eine versierte Sängerin, und es ist immer eine Freude, sie zu hören. Schön, dass hier eine historische Aussprache gepflegt wird. Insgesamt ist diese CD eine echte Bereicherung der Diskographie und das Programm ist von Anfang bis Ende unterhaltsam, wegen der Qualität der Musik und des Niveaus der Interpretation.

"Le berger innocent"
Ensemble Danguy/Tobie Miller
Ricercar RIC 448 (© 2024) details

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Kuhnau: Uns ist ein Kind geboren - Peter Gortner

Die geistliche Musik im Deutschland des späten 17. und des frühen 18. Jahrhunderts - grob gesagt: zwischen Schütz und Bach - hat lange Zei...