Donnerstag, 3. Juli 2025
A Due: Sonate à violino e violone - Rebecca Raimondi, Sylvia Demgenski
Das Barockzeitalter wird auch mal als Generalbasszeitalter bezeichnet. Das ist nicht von ungefähr, denn der Generalbass war einer der Merkmale des neuen Stils, der sich um 1600 in Italien manifestierte, und bis weit ins 18. Jahrhundert fortleben würde. Es hat sich im Verlaufe der Zeit eine Art Konvention entwickelt, wie der Generalbass zu besetzen sei. Anfänglich bestand eine Generalbassgruppe aus einem Streichbass - Violoncello, Viola da gamba - und einem Tasteninstrument. Später kamen dazu Zupfinstrumente: Laute, Theorbe und Gitarre. Und obwohl Aufführungen und Aufnahmen Variationen zeigen, ist diese Zusammensetzung die noch immer geläufigste. Es ist aber zweifelhaft, ob das der historischen Konvention entspricht. Es scheint eher unwahrscheinlich, beispielsweise, dass in Bachs Werken immer eine Laute mitspielte, die heute sogar in Kantaten oft dabei ist.
Die hier zu besprechende Aufnahme bringt eine neue Besetzung ins Spiel: ein einziger Streichbass. Zwar gibt es Aufnahmen, in denen Sonaten auf diese Weise aufgeführt werden, aber dann meistens in einigen Werken, zur Abwechslung. Ich habe im Verlaufe der Zeit kaum Aufnahmen gehört, in denen diese Besetzung die einzige ist.
Die Bedenken liegen auf der Hand. Sollte der Basso continuo nicht für die Harmonie sorgen? Und was wird daraus, wenn nur ein Violoncello den Bass spielt, wie hier? Es gibt zwei Gegenargumente. Die erste ist, wie Chiara Bertoglio in ihrer Programmerläuterung ausführt, dass der Hörer oft wahrnimmt, was es strikt genommen nicht gibt. "Man könnte annehmen, dass eine Solo-Basslinie ohne die dazugehörigen Akkordtöne nicht unbedingt Harmonie vermittelt; jedoch ist der menschliche Geist, sofern er mit den harmonischen Regeln europäischer tonaler Musik vertraut ist, in der Lage, die Lücken der Harmonie auszufüllen (...). Sobald Bass- und Oberstimme vorhanden sind, lässt sich die harmonische Mitte leicht ergänzen. In der Tat erfolgt dies sogar ganz unbewusst."
Als zweites Argument lässt sich darauf hinweisen, dass historische Untersuchungen ergeben haben, dass auch Cellisten in der Art unterwiesen wurden, eine Basslinie mit Verzierungen und Diminutionen auszufüllen. Damit schlossen sie, sozusagen, die Lücke zwischen Diskant und Bass.
Ein weiteres Argument ist, dass historisch belegt ist, dass einige Geigenvirtuosen, die wir heute noch als Komponisten kennen, wie Veracini und Tartini (beide auf dieser CD vertreten), oft mit einem Cellisten auftraten: der Erstgenannte mit Salvatore Lanzetti, Tartini mit Antonio Vandini. Der Titel der damals veröffentlichten Sonatensammlungen verweisen oft für den Basso continuo auf Violoncello oder Cembalo ("violoncello ò cimbalo"). Solche Titel sollte man nicht zu buchstäblich nehmen: wenn ein Cembalo erwähnt wird, bedeutet das nicht, dass nicht auch eine Orgel verwendet werden könnte. Es zeigt aber, dass ein einziges Violoncello durchaus eine legitime Option darstellt.
Es ist das Verdienst der beiden Künstlerinnen, diese Möglichkeit ausgeschöpft zu haben, und zwar auf eine höchst eindrucksvolle Weise. Sylvia Demgenski realisiert die oben erwähnten Möglichkeiten zur Darstellung des Generalbasses mit viel Kreativität und Engagement. Man vergisst, dass es kein Akkordinstrument gibt. Und Rebecca Raimondi spielt die ausgewählten Werke mit viel Stilgefühl: Phrasierung, dynamische Differenzierung, Tempowahl, Verzierungen - hier stimmt alles. Dazu kommt noch eine interessante Werkauswahl, in der sich mehr oder weniger bekannte Werke mit weniger geläufigen Stücken abwechseln. Das Duo gibt es seit 2020, und diese CD ist sein Debut. Ein besserer Start für eine hoffentlich erfolgreiche Karriere lässt sich schwer vorstellen.
"A Due - Sonate à violino e violone..."
Rebecca Raimondi, Violine; Sylvia Demgenski, Violoncello
Da Vinci Classics C01048 (© 2025) Details
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
A Due: Sonate à violino e violone - Rebecca Raimondi, Sylvia Demgenski
Das Barockzeitalter wird auch mal als Generalbasszeitalter bezeichnet. Das ist nicht von ungefähr, denn der Generalbass war einer der Merk...

-
Mikołaj Zieleński gilt als der wichtigste Komponist Polens an der Schwelle von Renaissance und Barock. Über ihn ist nicht viel bekannt, ni...
-
Es ist erstaunlich, wieviel Musik im Deutschland des 17. und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts komponiert wurde. Dabei soll bedacht w...
-
Das Ensemble Céladon beschäftigt sich seit Jahren mit der Musik, die die Welt der höfischen Liebe im Mittelalter widerspiegelt. Im Jahre 2...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen