Dienstag, 9. Januar 2024

Nardini: Sämtliche Werke für zwei Violinen - Ensemble Violini Capricciosi



Pietro Nardini (1722-1793) ist einer von vielen Komponisten, die in ihrer Zeit in hohem Ansehen standen, deren Musik aber heutzutage selten zu hören ist. Er wurde von Giuseppe Tartini auf der Geige unterrichtet, und entwickelte sich zu dessen begabtestem Schüler. Als Virtuose reiste er durch ganz Europa, und von 1768 bis zu seinem Tode wirkte er in Florenz, zunächst als Sologeiger und danach als Kapellmeister am Hofe des Grossherzogs Leopold von Toskanien. Er hatte mehrere Schüler, die sich zu berühmten Solisten entwickelten. Zu seinen Bewunderern zählen Leopold Mozart und Charles Burney.

Nardini's Oeuvre ist nicht besonders gross, aber qualitativ von grosser Bedeutung. Es enthält Solokonzerte für Violine und für Traversflöte, Ouvertüren, Solo- und Triosonaten sowie Duette für Violinen, Streichquartette und einige Cembalowerke. Die Druckausgaben sind meistens undatiert, was es nahezu unmöglich macht die Zeit der Komposition festzustellen. Aufgrund von Nardinis Lebensdaten könnte man meinen, er gehöre zur Zeit der Klassik. Das ist aber nicht ganz korrekt. Seine Streichquartette, die in den frühen 1780er Jahren gedruckt wurden, können dieser Stilepoche zugerechnet werden, aber die Triosonaten, die die hier rezensierte Produktion eröffnen, sind eher spätbarocke Werke. Viele Komponisten des Barock haben mit solchen Stücken auf sich aufmerksam gemacht. Mit Triosonaten konnten sie ihre Fähigkeit im Bereich des Kontrapunkts unter Beweis stellen. Ausserdem waren solche Werke besonders geeignet für technisch gut ausgestattete Laien, und damit wirtschaftlich interessant, vor allem, wenn man andere Instrumente als Alternative erwähnte, insbesondere die unter Laien beliebte Traversflöte. Das ist auch bei Nardinis Triosonaten der Fall. Sie wurden 1768 in London veröffentlicht, und bestehen aus drei Sätzen. Der Einfluss des damals dominanten galanten Stils lässt sich deutlich feststellen. Stilistisch damit zu vergleichen sind 14 Menuette für zwei Violinen und Bass. Das Menuett war eine damals sehr beliebte Form; der Musikwissenschaftler Rudolf Rasch, der die Programmerläuterung verfasste, spricht sogar von einem 'Menuettmanie'.

Im Jahre 1765 erschienen in Paris sechs Duette für zwei Violinen. Stilistisch unterscheiden sie sich nicht wesentlich von den oben erwähnten Stücken, aber technisch stehen sie auf einem höheren Plan. Sie sind nicht für Durchschnittslaien, sondern für Profis und vielleicht technisch besonders begabte Laien bestimmt. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass die Technik der Doppelgriffe hier angewandt wird. In einigen Duetten gibt es aussermusikalische Elemente: im Duett Nr. 3 sind das verschiedene Tiere, im Duett Nr. 4 werden im letzten Satz Hörner imitiert; der Titel lautet La Caccia.

Die Bedeutung dieser Produktion ist schwer zu überschätzen. Diese Musik wird die Musikwelt nicht auf den Kopf stellen, aber alle hier eingespielten Stücke sind wertvolle Erweiterungen des Repertoires. Das gilt insbesondere für die Duette für Violinen ohne Begleitung, denn solche Stücke gibt es nicht so viele. Musikalisch sind sie der interessanteste Teil dieser Produktion. Igor Ruhadze und Daria Gorban zeichnen verantwortlich für hervorragende und spannende Darbietungen. In den Stücken mit Basso continuo werden sie angemessen von Jacopo Ristori (Violoncello) und Anastasiya Akinfina (Cembalo) unterstüzt. Es ist zu hoffen, dass weitere Werke von Nardini in der näheren Zukunft eingespielt werden.

Nardini: "Complete Music for 2 Violins"
Ensemble Violini Capricciosi
Brilliant Classics 96873 (© 2023) details

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