Donnerstag, 22. Mai 2025
Händel & Colonna - Leonardo García Alarcón
Giovanni Paolo Colonna (1637-1695) und Georg Friedrich Händel (1685-1759) auf eine CD zusammenzubringen bittet um eine Erklärung. Colonna verstarb, als Händel erst zehn Jahre alt war. Was haben sie gemeinsam? Leonardo García Alarcón rechtfertigt seine Entscheidung unter anderem mit einer Äusserung des englischen Komponisten William Boyce, der bemerkte, dass Händel ein direkter Erbe Colonnas in der Komposition geistlicher Musik war. Er fügt hinzu, dass Colonna ein wichtiger Komponist geistlicher Musik war. "An seiner Musik wurde Händels Dixit Dominus gemessen, das auch eine Hommage an Colonnas Musik". In der Besetzung lässt sich auch eine auffällige Gemeinsamkeit feststellen. Sowohl Colonnas Messa a 5 concertata als Händels Dixit Dominus sind gesetzt für fünf Stimmen (Soli und Tutti) und ein fünfstimmiges Instrumentalensemble, mit zwei Bratschenstimmen - eine übliche Praxis im 17. Jahrhundert, und deswegen nicht überraschend in Colonna, im Gegensatz zu Händels Werk.
Colonnas Messe besteht aus zwei Teilen: Kyrie (aufgeteilt in drei Abschnitte) und Gloria (bestehend aus 11 Abschnitten). Strikt solistische Sätze gibt es nicht: in den meisten Abschnitten mischen sich Soli und Tutti, und die Solisten treten zu dritt oder zu viert auf. im Oeuvre Colonnas gibt es Musik im stile antico, aber die Handschriften legen nahe, dass bei solchen Werken Instrumente (Streicher, Zinken und Posaunen) zum Einsatz kamen, die colla voce spielten. In dieser Messe sind die Streicherpartien ausgeschrieben, aber trotzdem glaubt García Alarcón, dass auch dann Bläser mitgespielt haben können. Und so klingen hier Zinken und Posaunen, und dann und wann auch zwei Blockflöten, in mehreren Tuttiabschnitten. Mir scheint diese Praxis reichlich spekulativ; hoffentlich bringen Untersuchungen mehr Klarheit in dieser Angelegenheit.
Händels Dixit Dominus gehört zu seinen beliebtesten Werken. Es ist ein stark theatrales Stück, und das kommt in der Interpretation gut zum Tragen. García Alarcón setzt noch einiges drauf. 'Conquassabit capita' ("Zerschmettern wird er die Häupter im Land vieler [Völker]") wird forte und staccato dargestellt; der anschliessende Vers, 'De torrente in via bibet' ("Aus dem Bach am Weg wird er trinken") wird langsam gesungen und gespielt und fängt pianissimo an. In der Partitur findet man keine Hinweise auf eine solche Praxis; es sind Entscheidungen des Dirigenten, die aber meiner Meinung nach zum Charakter des Werkes passen.
Colonnas Messe wird hier zum ersten Mal auf CD vorgestellt, und das ist schon Grund genug, sich diese CD zu ergattern. Es ist ein schönes Werk, und macht neugierig nach weiteren Werken dieses Meisters. Händels Dixit Dominus liegt in vielen Aufnahmen vor, darunter mehreren sehr guten. Diese Neuaufnahme kann zu den besten gerechnet werden. Das ist zum Teil dem Choeur de Chambre de Namur zu verdanken, der die Hauptrolle spielt. Mit den Solisten hat García Alarcón Glück gehabt. Ihre Stimmen mischen sich sehr gut, und sie fügen sich mühelos in den Chor ein, wo sie sich abwechseln. Kurzum, trotz der Bekanntheit von Händels Dixit Dominus soll die Bedeutung dieser Produktion hoch eingestuft werden.
Giovanni Paolo Colonna: "Missa Concertata" - Georg Friedrich Händel: Dixit Dominus
Elizaveta Sveshnikova, Mariana Flores, Sopran; Paul-Antoine Bénos-Djian, Altus; Valerio Contaldo, Tenor; André Morsch, Bass; Choeur de Chambre de Namur; Cappella Mediterranea/Leonardo García Alarcón
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