Donnerstag, 27. Juli 2023
Ein deutsches Barockrequiem - Vox Luminis
Ein deutsches Requiem von Johannes Brahms ist eines der Monumente der Musikgeschichte. Das Werk wird oft aufgeführt und es gibt mehrere CD-Einspielungen, auch mit historischen Instrumenten. Wer sich in der Musik des Barock auskennt, wird erinnert an die Musicalischen Exequien von Heinrich Schütz. Brahms kannte dieses Werk und hat sich davon zweifellos bei der Komposition seines Werkes anregen lassen. Das Ensemble Vox Luminis nahm 2010 die Musicalischen Exequien auf und seitdem has es dieses Werk oft aufgeführt. "Seit 2010 ist Lionel Meunier und mir die Gegenüberstellung der beiden etwas mehr als 200 Jahre auseinanderliegenden Meisterwerke nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Es müsste doch möglich sein, ausgehend von deutschen Kompositionen des 17. Jahrhunderts ein Werk zu schaffen, das dem Deutschen Requiem ähnelt", schreibt Jérôme Lejeune, der musikalische Leiter des Labels Ricercar im Textheft zu der hier rezensierten CD. Nach vielen Jahren hat diese Idee Frucht getragen. Ausgangspunkt waren die von Brahms ausgewählten Texte; man versuchte im deutschen Repertoire des 17. Jahrhunderts Vertonungen der gleichen Texte zu finden. Das ist nicht immer gelungen, und da hat man eine passende Alternative gefunden. In anderen Fällen gab es mehrere Möglichkeiten. Es ist schön, dass man nicht schon bekannte Werke, beispielsweise von Schütz, aufgenommen hat, sondern sich für weniger bekannte Stücke entschieden hat. Die meisten hier aufgenommenen Werke erscheinen hier wohl zum ersten Mal auf CD.
Kaum bekannt ist Andreas Scharmann, von dessen Karriere wir nichts wissen. Nur ein Werk von ihm ist erhalten geblieben; sein Trauerklag eröffnet das Programm. Ein zweiter kaum bekannter Meister ist Heinrich Schwemmer, der in Nürnberg wirkte; von ihm ist hier das geistliche Konzert Der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand zu hören. Andreas Hammerschmidt, Johann Philipp Förtsch und Wolfgang Carl Briegel sind nicht unbekannt und ihre Werke sind auf verschiedenen CDs zu finden. Das will aber nicht heissen, dass sie oft zu hören sind, und deswegen ist jede Aufnahme willkommen. Hammerschmidt ist in letzter Zeit einiges Interesse entgegengebracht worden; vor einigen Jahren widmete Vox Luminis ihm eine ganze CD. Sein Oeuvre ist umfangreich, und darin gibt es noch viele Schätze zu entdecken, wie das hier aufgeführte geistliche Konzert für Ostern, Der Tod ist verschlungen. Förtsch war ein Komponist von auffällig dramatischen geistlichen Konzerten, bevor er sich ganz dem Medizin widmete. Briegel war der Amtsvorgänger von Christoph Graupner als Kapellmeister am Hofe zu Darmstadt. Es erklingen auch Werke von Tobias Michael und Christian Geist. Der wohl bekannteste Komponist ist Johann Hermann Schein. Vor allem seine Sammlung Israelsbrünnlein erfreut sich grosser Bekanntheit. Hier erklingen Stücke aus anderen Sammlungen.
Die Zusammenstellung dieses Programms ist originell und zeugt von Kreativität. Dass hier so viele unbekannte Schätze dargeboten werden, kann nicht genug gewürdigt werden. Diese Produktion zeugt von der erstaunlichen Qualität des deutschen Barock. Man könnte noch viele CDs mit vergleichbarem Repertoire füllen. Auch im Oeuvre der bekannten Meister des 17. Jahrhunderts gibt es noch viel zu entdecken. Vox Luminis gilt mit Recht als ein Ensemble, das sich im deutschen Repertoire besonders gut auskennt. Das zeigt es auch hier. An Artikulation, Aussprache und Textverständnis ist nichts auszusetzen. Auch der Zusammenklang ist makellos. Das Ensemble bringt hier eindringliche und stilistisch völlig idiomatische Interpretationen. Die Tatsache, dass Bart Jacobs im Basso continuo eine grosse Orgel spielt, trägt wesentlich zur Aussagekraft dieser Produktion bei.
"Ein Deutsches Barockrequiem"
Vox Luminis/Lionel Meunier
Ricercar RIC 445 (© 2023) details
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