Mittwoch, 19. Juli 2023
Kuhnau: Geistliche Werke VIII - Gregor Meyer
Eines der wichtigsten Projekte der letzten Zeit ist die Gesamtaufnahme des geistlichen Oeuvres von Johann Kuhnau (1660-1722). Jeder kennt seinen Namen, aber dann vor allem als Amtsvorgänger von Johann Sebastian Bach in der Funktion von Thomaskantor. Seine Musik ist kaum bekannt, vielleicht mit Ausnahme seiner sechs 'Biblischen Sonaten'. Er hat auch einen nicht besonders guten Ruf, denn er gilt als konservativ, und vehementer Gegner des neuen Kirchenstils, der stark unter dem Einfluss der italienischen Oper stand. Dieses Vorurteil ist mit der bei CPO erschienenen Gesamtaufnahme seiner geistlichen Werke auf eindrucksvolle und überzeugende Weise widerlegt worden. David Erler, Sänger im Ensemble Opella Musica, das Kuhnaus Musik zu Gehör bringt, und verantwortlich für die Druckausgabe, die bei Breitkopf und Härtel erscheint, wird in einem Interview im Textheft der 8. und letzten Folge gefragt, was für ihn die grösste musikalische Überraschung war. Er sagt: "Die Besonderheit ist eigentlich, dass es keine wirkliche Besonderheit gibt - Kuhnau ist ein Meister der Vielfalt. Es gibt kleine Motetten, sehr intime Solokantaten, beeindruckend durchkomponierte Vokal-Concerti, bis hin zu wirklich prächtigen Festmusiken." Dem kann man nur zustimmen. Die 2022 erschienene letzte Folge stellt diese Vielfalt unter Beweis.
In dieser Aufnahme trifft man einige Werke, die man vielleicht von Kuhnau nicht direkt erwartet, wie Musik zum Schauspiel 'Von Jacobs doppelter Heyrath', verfasst von seinem Lehrer und Mentor Christian Weise. Zwar nennt die Druckausgabe als Komponist lediglich 'J.K', was immer als Johann Krieger interpretiert wurde, aber es gibt gute Argumente für Kuhnau als Komponist dieser Musik. Nun haben wir es hier mit einem geistlichen Bühnenwerk zu tun, denn der Stoff stammt aus dem alttestamentlichen Buch 1 Mose, aber wir finden hier auch ein Werk auf einem lateinischen Text, das man mit dem besten Willen nicht als geistlich bezeichnen kann. Spirate clementes is eine Kantate nach dem Modell der italienischen Kammerkantate und handelt, wie solche auch, von den Verwirrungen der Liebe. Da das Werk nicht so richtig nach Kuhnau klingt, wird die Authentizität bezweifelt. Das gilt übrigens für mehrere Werke von Kuhnau, die in dieses Projekt einbezogen wurden, denn Stücke, die in seiner eigenen Handschrift überliefert wurden, sind rar. Deswegen war die Entdeckung dreier Arien in seiner Handschrift, die hier ganz am Ende erklingen, von grosser Bedeutung. Die Komposition bezieht sich wahrscheinlich auf den Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1697), an dem Sachsen seit 1689 teilnahm.
Die beiden geistlichen Kantaten sind sehr unterschiedlich. Ach Herr, wie sind meiner Feinde so viel stammt von dem obengenannten Christian Weise. Es handelt sich um eine Vertonung des 3. Psalms, mit hinzugefügten freien Texten. Der Text lässt verstehen, dass Kuhnau hier zwei Trompeten und eine Posaune einsetzt. Im ersten Abschnitt verwendet er den stile concitato. Ganz anders ist Ende gut und alles gut, eine Kantate für den letzten Sonntag des Kirchenjahres und daher eine Betrachtung über den Tod und das ewige Leben. Es ist eine intime Kantate für Sopran, Violine und Basso continuo, die vielleicht nicht für die Thomaskirche, sondern für eine kleinere Kirche anderswo bestimmt war.
Am Ende des Projekts kann man allen Beteiligten - den Interpreten, der Plattenfirma und dem Sender Deutschlandfunk Kultur - nur gratulieren. Die Konsequenz und das hohe Niveau der Interpretation, die von Anfang bis Ende dieses Projekt kennzeichnen, ist eindrucksvoll. Zusammen sind die acht erschienenen CDs ein würdiges klingendes Denkmal für einen Komponisten, der seinen Platz als Komponist im Kompendium der Musikgeschichte durchaus verdient hat.
N.B. Leider muss ich eine Warnung abgeben für die 8. Folge. Mir steht diese Produktion in Form von digitalen Dateien zur Verfügung, und in Track 24 gab es eine technische Störung, die ich mit Software habe entfernen können. Ob das ein Einzelfall war, weiss ich nicht, und auch nicht, ob die physischen CDs davon betroffen sind. Achten Sie darauf.
Kuhnau: "Complete Sacred Works VIII"
Opella Musica, camerata lipsiensis/Gregor Meyer
CPO 555 460-2 (© 2022) details
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Zelenka: Missa Gratias agimus tibi - Frieder Bernius
Der Dirigent Frieder Bernius hat im Verlauf seiner Karriere, mit Hilfe seines Kammerchors Stuttgart, sich für die Musik von Jan Dismas Zel...
-
Der Name Emilio de' Cavalieri ist untrennbar mit einem Werk verbunden, der Rappresentatione di Anima e di Corpo , einer Moralität, die...
-
Johann Sebastian Bach war wohl der erste Komponist, der das Cembalo als Soloinstrument im Orchester verwendete. Das fünfte Brandenburgisch...
-
Seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts gab es einen wachsenden Bedarf an Musik, die von Laien im häuslichen Kreis gespielt werden konnte. Ge...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen