Dienstag, 8. August 2023
Dessiner les passions - Andreas Gilger
Es geht kaum ein Jahr vorbei ohne eine oder mehrere Neuproduktionen mit französischer Cembalomusik. Das ist meistens Musik des 18. Jahrhunderts, und vor allem François Couperin und Jean-Philippe Rameau liegen hoch im Rennen. Die Musik des 17. Jahrhunderts ampfängt weniger Aufmerksamkeit, mit Ausnahme vom Oeuvre von Louis Couperin, das in vielen Aufnahmen vorliegt. Aber wie oft wird die Musik von Jacques Champion de Chambonnières - Vater der französischen Cembaloschule - und Jean-Henri d'Anglebert, geschweige denn die von Henry du Mont und Jean-Nicolas Geoffroy gespielt? Eben diesen Meistern hat Andreas Gilger eine CD gewidmet.
Abgesehen vom Repertoire hat diese Produktion einige bemerkenswerte Merkmale. Zum einen das Cembalo: im Textheft schreibt Gilger, dass heutzutage für alle französische Cembalomusik meistens Instrumente verwendet werden, die basieren auf Cembali des 18. Jahrhunderts, die stark vom flämischen Cembalobau beeinflusst worden sind. Und es sind oft keine genauen Kopien, sondern erbaut "in der Tradition" alter Instrumente. Aus dem 17. Jahrhundert sind nur wenige Instrumente zu uns gekommen. Eines ist ein Cembalo von Vaudry des Jahres 1681. Eine genaue Kopie dieses Instruments hat Gilger sich erbauen lassen. Es bringt einen kräftigen Klang mit Ecken und Kanten hervor. Diese Aufnahme zeigt, dass es perfekt zum ausgewählten Repertoire passt. Gilger nutzt seine Charakteristiken effektiv aus, um die Eigenschaften der verschiedenen Suiten und deren Sätze auszuschöpfen. Er hat das Programm so zusammengestellt, dass kontrastierende Stücke aufeinander folgen, damit die Unterschiede optimal zum Ausdruck kommen.
In seiner Interpretation legt er grossen Wert auf die Bedeutung der Rhetorik, deren Instrumente angewandt werden sollen um die in der Musik ausgedrückten Emotionen - auch bekannt als Affekte - über die Bühne zu bringen. Da liegt natürlich ein Problem, denn wie kann der Hörer von heute, der gar nicht mit Rhetorik und mit den barocken Mitteln zum Ausdruck von Affekten aufgewachsen ist, diese nachempfinden? Gilger schreibt, dass er hofft, dass die Hörer die Emotionen erfahren werden, aber leider gibt er keine Hinweise auf die Gefühlserregungen, die die Komponisten mit ihren Werken übertragen möchten. Da wäre es hilfreich gewesen, mal auf die Tonartencharacteristiken von Marc-Antoine Charpentier hinzuweisen. Übrigens fehlt auch jegliche Information über die Komponisten.
Eine Besonderheit dieser CD ist auch die Wahl des Aufnahmeortes. Gilgers Wunsch war, das Programm in einem Raum aufzunehmen, der soviel wie nur möglich die originellen Aufführungsumstände widerspiegelt. Er fand einen angemessenen Aufnahmeort im Schloss Oettingen in Bayern vor, und zwar im Goldenen Salon. Dieser Raum inspirierte ihn bei der Interpretation, und auch für den Hörer wirkt sich diese Umgebung positiv aus. Man hat das Gefühl, nahe am Instrument zu sitzen, was eine gewisse Intimität erzeugt. Die Nachteile einer sehr direkten Aufnahme wurden vermieden.
Diese CD ist eine ideale Kombination von Musik, Instrument und Raum. Und dazu kommt eine engagierte und brilliante Darbietung von Gilger, der sich hier als der ideale Anwalt eines Repertoires erweist, das zu Unrecht wenig bekannt ist. Diese CD ist eine der besten Cembaloproduktionen, die ich in letzter Zeit gehört habe, und ich möchte sie jedem Cembalofreund nachdrücklich empfehlen.
"Dessiner les passions"
Andreas Gilger, Cembalo
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