Mittwoch, 13. September 2023

Wilms: Klarinettenkonzert & konzertante Sinfonien - Harmonie Universelle

Johann Wilhelm Wilms ist einer vieler Komponisten aus der Zeit um 1800, die von den Grossen der Wiener Klassik überschattet worden sind. Er war deutscher Abstammung, liess sich 1791 in Amsterdam nieder, und spielte seitdem eine wichtige Rolle im niederländischen Musikleben, als Komponist, Dirigent, Pianist und Flötist. In den Niederlanden ist er heute vor allem als Komponist des Liedes Wien Nêerlands bloed bekannt; es war bis 1932 die Nationalhymne. Heute wird das Lied mit Recht wegen seines zum Teil rassistischen Textes verurteilt. Übrigens war Wilms nicht der Dichter des Liedes. Seit einigen Jahrzehnten gibt es eine bescheidene Neubewertung seines Oeuvres. Einige CDs mit Sinfonien und Solokonzerten sind erschienen, und Ronald Brautigam hat seine Klavierkonzerte aufgenommen (BIS). Die neueste Produktion mit Werken von Wilms ist eine bei Accent erschienene Aufnahme zweier konzertanten Sinfonien sowie seines Klarinettenkonzerts.

Die Sinfonia concertante war eine in der Klassik sehr beliebte Gattung. Sie entstand in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Paris. Es handelt sich um ein Orchesterwerk mit kürzeren Soloabschnitten für zwei oder mehrere Instrumente. Das Ziel eines solchen Werkes war Unterhaltung, aber das will nicht heissen, dass es immer leicht verdauliche Kost war; man denke hier an Mozarts Sinfonia concertante für Violine und Viola, eines seiner beliebtesten Werke. Diese CD bietet zwei solcher Werke, die Wilms übrigens schlichtweg Concertante nannte. Die Concertante in C-Dur enthält Solopartien für Traversflöte, Klarinette, Fagott, Violine und Violoncello. Im Textheft bemerkt Cellistin Amarillis Dueñas Castán, dass ihre Partie durchaus anspruchsvoll ist, was bestätigt, dass es sich nicht immer um 'leichte Musik' handelt. In der Concertante in F-Dur sind die Soloinstrumente Traversflöte, Oboe oder Klarinette (hier hat man sich für die Oboe entschieden), Fagott und Horn. Typisch für die Gattung sind die Schlussätze: die letztgenannte Sinfonia concertante, die übrigens nur aus zwei Sätzen besteht, endet mit einem Allegretto mit Variationen, während die andere (dreisätzige) Concertante mit einem Polonaise endet. So endet auch das Klarinettenkonzert, das Ernst Schlader im Textheft als dem Konzert von Mozart ebenbürtig betrachtet. Es stellt hohe Anforderungen an den Solisten, denen Schlader, als Spezialist auf der historischen Klarinette, voll gewachsen ist. Das Konzert wurde von Dieter Klöcker entdeckt; er konnte es wegen seines Todes nicht mehr aufnehmen. Es ist schön, dass im Textheft dessen Arbeit in der Erweiterung des Klarinettenrepertoires gewürdigt wird.

Das Ensemble Harmonie Universelle kennen wir als Barockensemble, das sich vor allem mit Musik des 17. Jahrhunderts einen Namen gemacht hat, und dann und wann auch mal späteres Repertoire spielt. Soweit in die Geschichte ist das Ensemble bisher wohl nicht vorgedrungen. Man hat sich der Mitwirkung des in der Musik des 19. Jahrhunderts erfahrenen Andreas Spering versichert, und das war eine gute Idee. Alles klingt völlig natürlich, im klassischen Sinne. Dazu kommen hochkarätige Solisten, die dafür sorgen, das die Solostellen voll zur Geltung kommen. Für Liebhaber der Musik der Klassik scheint mir diese Produktion unverzichtbar, und es ist ein überzeugendes Plädoyer für das Schaffen von Johann Wilhelm Wilms.

Wilms: Klarinettenkonzert, Sinfonie Concertante
Sophia Aretz, Traversflöte; Markus Deuter, Oboe; Ernst Schlader, Klarinette; Veit Scholz, Fagott; Federico Cuevas Ruiz, Horn; Mónica Waisman, Violine; Amarillis Dueñas Castán, Violoncello; Harmonie Universelle/Andreas Spering
Accent ACC 24391 (© 2023) details

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