Freitag, 19. Juli 2024

Santa Maria: Missa O beata Maria - Arte Minima



Lange Zeit stammte die alte Musik, die in Konzerten dargestellt und auf Tonträger aufgenommen wurde, aus dem Herzland Europas. Was in Gebieten komponiert wurde, die man als Peripherie bezeichnen könnte, wurde kaum beachtet. Mit der Verbreitung der historischen Aufführungspraxis hat sich das geändert. Es sind in erster Linie Musiker aus einem Land oder einer Region, die sich um ihr eigenes musikalisches Erbe kümmern. In den letzten Jahrzehnten sind viele Aufnahmen mit Musik aus Polen auf den Markt gekommen, und dann und wann kommen auch andere Teile Europas, wie Irland, der Balkan und Malta musikalisch zu Wort. Die jetzt vorliegende CD bringt uns nach Portugal - auch einem Land, dessen Musik lange Zeit in einem Dornröschenschlaf versunken war.

Wo die spanische Musik der Renaissance, und heute in zunehmendem Masse auch des Barock und der Klassik, oft zu hören ist, hat die portugiesische Musik es schwerer, sich durchzusetzen. Dabei muss immer bedacht werden, dass das musikalische Erbe des Landes nur bruchstückhaft überliefert worden ist. Das Erdbeben, dass 1755 Lissabon heimsuchte, hat die sämtliche Musiksammlung des königlichen Palastes vernichtet. Viele Werke des 16. und 17. Jahrhunderts wurden nur dort aufbewahrt, und sind deswegen für immer verloren. Man darf von Glück reden, dass noch das Eine oder Andere erhalten geblieben ist.

Francisco de Santa Maria (1532/38-1597) ist strikt genommen vielleicht kein Portugiese, sondern Spanier, denn er wurde in Ciudad Rodrigo in Spanien, dicht an der portugiesischen Grenze, geboren. Er wirkte als Sänger in der dortigen Kathedrale, liess sich kurz nach 1553 aber in Portugal nieder, wo er als Kapellmeister in Guarda und Coimbra tätig war, und schliesslich am Augustinerkloster zu Santa Cruz. Neben Musik für das Theater komponierte er geistliche Musik. Wieviel seines Schaffens überliefert ist, lässt sich schwer feststellen. Mehrere Werke, die in anonymen Kopien vorliegen, könnten von ihm komponiert worden sein. Auf jeden Fall stammen die Missa O beata Maria und einige Lamentationen von ihm.

Die Messe basiert auf Material aus einer Motette von Pedro Guerrera, dem älteren Bruder von Francisco Guerrera, einem der Grössen des spanischen Goldenen Zeitalters. Diese Motette besteht aus zwei Teilen; Santa Maria verarbeitet Material aus beiden Teilen. Die Messe ist vierstimmig und wird hier in solistischer Besetzung dargeboten. Leider enthält das Textheft keine Erläuterung der Aufführungspraxis. Ich hätte gerne gewusst, ob diese Besetzung den damaligen Aufführungsgewohnheiten entspricht. Auch würde ich gerne wisse, warum die Singstimmen von Blockflöten unterstützt werden. In geistlicher Musik hört man meistens laute Blasinstrumente. Merkwürdig ist, dass zwischen Kyrie und Gloria, die in der Messe immer ohne Unterbrechung gesungen werden, ein Instrumentalstück eingefügt wird.

Das ist aber eine Kleinigkeit. Diese Messe ist es durchaus wert, auf CD festgelegt zu werden, und das Ensemble Arte Minima, das ich nicht kannte, macht einen hervorragenden Eindruck. Der Gesamtklang ist sehr gut und schön, die Stimmen mischen sich perfekt, und die Balance zwischen Singstimmen und Blockflöten ist wie sie sein sollte. Liebhaber der Polyphonie der Renaissance sollten diese CD nicht missen.

Santa Maria: Missa O beata Maria
Arte Minima/Pedro Sousa Silva
Pan Classics PC 10452 (© 2023) details

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