Donnerstag, 30. Oktober 2025

Gaultier de Marseille: Symphonies divisées par suites de tons - Cohaere Ensemble


Im Barock spielten Paris und Versailles die Hauptrolle im französischen Musikleben. Die Musik, die heute aufgeführt wird, stammt fast ausschliesslich von Komponisten, die dort gelebt und gewirkt haben. Was in anderen Regionen komponiert und aufgeführt wurde, erscheint selten auf Konzertprogrammen und auf CD. Die hier diskutierte Aufnahme ist einem Komponisten gewidmet, der zwar in Paris studiert hat, aber sein ganzes Leben im Süden Frankreichs verbracht hat, wie sein Beinamen 'de Marseille' verrät.

Obwohl Pierre Gaultier de Marseille (1642-1696) als Spieler von Tasteninstrumenten ausgebildet wurde, und anfänglich als Lehrer in diesem Bereich sowie in Komposition tätig war, drehte sich seine Karriere ganz um die Oper. Jean-Baptiste Lully erlaubte es ihm 1684 in Marseille eine Musikakademie zu gründen, die mit einer Oper aus seiner eigenen Feder eröffnet wurde. Später führte er mehrere Oper von Lully und noch ein weiteres eigenes Werk auf. Seine beiden Opern sind verlorengegangen, sollten aber ganz im Stile Lullys komponiert worden sein.

Er führte auch Opern in Avignon auf, und dort landete er 1688 ins Gefängnis wegen finanzieller Schulden; er war gezwungen das ganze Besitz seiner Operngesellschaft zu verkaufen. Er blieb aber der Oper treu; in anderen Konstellationen dirigierte er Opern in verschiedenen Städten. 1696 kamen er und sein Bruder ums Leben während einer Schifffahrt.

Nur wenig Musik von Gaultier de Marseille ist zu uns gekommen. Am wichtigsten sind die neun Suiten, die 1707 von Christoph Ballard in Paris veröffentlicht wurden. Es ist bemerkenswert, dass diese dort erschienen und dazu noch elf Jahre nach seinem Tode. Offensichtlich war er bekannter als man vermuten würde, da er immer weit weg von Paris wirkte. Der Herausgeber schreibt im Vorwort, dass er die Suiten auf Wunsch zusammengestellt hatte. Daraus lässt sich schliessen, dass Gaultiers Musik geschätzt wurde.

Die neun Suiten unterschiedlcher Länge bestehen aus Tänzen und Charakterstücken. Einige erinnern an die Oper der Zeit, und man fragt sich, ob einige dieser Stücke vielleicht aus seinen verschollenen Opern stammen. Auch damals sehr beliebte Formen, wie Chaconne und Passacaille, fehlen nicht. Es gibt auch ein biografisches Stück: zu Les Prisons (das Gefängnis) schreibt er, dass er das Stück im Gefängnis in Avignon komponiert hatte.

Diese Stücke sind, der gedruckten Ausgabe zufolge, für zwei Flöten oder Violinen bestimmt. Hier werden beide gemischt, und angesichts der damaligen Gewohnheiten ist dagegen nichts einzuwenden. Die Frage ist aber, was mit 'Flöte' gemeint ist. Da die Traversflöte meistens als flûte allemande bezeichnet wurde, liegt eine Besetzung mit Blockflöte nahe; so hat Hugo Reyne diese Suiten mit seinem Ensemble La Simphonie du Marais eingespielt (Auvidis, 1998). Aber da ab 1700 die Traversflöte immer beliebter wurde, ist die Besetzung mit Traversflöte, wie in der Aufnahme des Cohaere Ensemble, eine legitime Möglichkeit.

Dieses junge polnische Ensemble legt hier seine erste CD-Aufnahme vor, und die hat mir ganz gut gefallen. Es wird sehr schön gespielt, und der Variation in diesen Suiten wird voll Rechnung getragen. Es wird mal kräftig ausgepackt, aber auch immer wieder mit Verfeinerung gespielt. Jeder Liebhaber von Barockmusik wird an dieser Produktion viel Freude finden.

Pierre Gaultier de Marseille: Symphonies divisées par suites de tons
Cohaere Ensemble
Ambronay AMY317 (© 2025) Details

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Gaultier de Marseille: Symphonies divisées par suites de tons - Cohaere Ensemble

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