Freitag, 17. Oktober 2025

Valls: con afecto - BachWerkVokal


Im Verlauf der Geschichte hat es in der Musikwelt mehrere Kontroversen gegeben, die sich oft um 'Fehler' in bestimmten Kompositionen drehten. Ein Beispiel ist die Missa Scala Aretina des spanischen Komponisten Francesc Valls (1671-1747). "Die Polemik, die die Messe auslöste, drehte sich um den Einsatz des zweiten Sopran in einer unvorbereiteten None beim 'Miserere nobis' im Gloria. Gregorio Portero, Kapellmeister an der Kathedrale von Granada, feuerte 1715 die erste Salve ab; im folgenden Jahr schloss sich ihm Joaquín Martínez de la Roca, der Organist in Palencia, an, der argumentierte, dass "Musik aus festgelegten Prinzipien und allgemeinen Regeln besteht; wenn diese gebrochen werden, wird das Wesen der Musik zerstört". Valls verteidigte sich "nicht so sehr für meinen eigenen Ruf, sondern für die Freiheit und Ehre der Musikkunst"", schreibt Craig H. Russell in New Grove. Die Kontroverse hatte auch einen politischen Aspekt, der mit dem spanischen Erbfolgekrieg zusammenhing.

Obwohl dieser Aspekt nach Einschätzung einiger Autoren vielleicht genau so wichtig war wie der musikalische, lässt sich die Aufregung gut verstehen, denn Valls war ganz eigenwillig in seiner Behandlung der Harmonie. Das kommt im Programm, das das Ensemble BachWerkVokal eingespielt hat, ganz klar zum Ausdruck. Die meisten Stücke stammen aus der theoretischen Schrift Mapa armónico, die Valls zwischen den späten 1720er Jahren und 1735 zusammenstellte. Der dritte Kapitel enthält viele Musikstücke, in der Valls zeigt, wie er mit Harmonie experimentierte. Am weitesten geht er in einem Instrumentalwerk: die Composicion enarmónica para instrumentos de arco ist von Anfang bis Ende aus Vierteltönen aufgebaut, und erweckt den Eindruck, im 20. Jahrhundert entstanden zu sein. In vielen Vokalwerken wird ausgiebig Chromatik eingestreut, vor allem mit dem Ziel, den Text möglichst plastisch zum Ausdruck zu bringen und dessen Affekt dem Hörer zu vermitteln. In diesem Sinne ist der Titel dieser Produktion - "con afecto" - gut gewählt.

Auch in der Besetzung ist Valls oft ganz originell. Diese variiert von drei bis zwölf Stimmen. Das ist an sich nicht ungewöhnlich, aber ein Rezitativ und eine Arie für acht Stimmen (Yo que el aplauso) ist doch alles andere als konventionell. Originell ist auch Ay de la pena: es fängt mit einem Duett von Sopran und Tenor an, die dann von einem Quintet verstärkt werden und den ersten Chor bilden. Darauf folgt ein Abschnitt zu acht Stimmen für Chor II und III.

Die eingespielten Werke haben entweder einen lateinischen oder einen spanischen Text, und es gibt sowohl geistliche als weltliche Werke. Die Länge ist ebenfalls unterschiedlich, wie auch die Besetzung. Die meisten Stücke sind für ein Vokalensemble gesetzt; in nur wenigen Werken gibt es Soloparts für Singstimmen. Und während mehrere Werke ohne Begleitung oder nur mit einem Basso continuo auskommem, gibt es auch Stücke mit Geigen, Oboen und Trompeten in verschiedenen Kombinationen.

Die obengenannte Missa Scala Aretina ist fast das einzige Werk aus dem umfangreichen Schaffen von Valls, das einigermassen bekannt ist, wohl auch wegen der Kontroverse, die sie auslöste. Deswegen ist diese Aufnahme von grosser Bedeutung, da sie den eigenwilligen Charakter des Komponisten sowie die Qualität seines Schaffens auf überzeugende Weise zur Schau stellt. Das ganze Programm wird vorzüglich dargestellt. Wie in früheren Aufnahmen beeindruckt das Ensemble mit Energie und Präzision. Dank einer makellosen Intonation kommen die harmonischen Eigenartigkeiten voll zur Geltung. Und die Instrumentalisten tragen wesentlich dazu bei, dass dieses Programm einen bleibenden Eindruck hinterlässt.

Diese CD gehört zweifellos zu den interessantesten und wichtigsten des Jahres 2025.

Francesc Valls: "con afecto"
BachWerkVokal/Gordon Safari
MDG 923 2368-6 (© 2025) Details

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Valls: con afecto - BachWerkVokal

Im Verlauf der Geschichte hat es in der Musikwelt mehrere Kontroversen gegeben, die sich oft um 'Fehler' in bestimmten Komposition...