Freitag, 30. Juni 2023

Porpora: L'aureo serto - Sergio Foresti & Abchordis Ensemble



Nicola Antonio Porpora (1686-1768) ist ein bekannter Name, aber dann vor allem, weil er eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Vokalmusik des Barock, im Besonderen im Bereich der Oper, gespielt hat. Er war ein hoch angesehener Gesangslehrer, der einige der grössten Kastraten des 18. Jahrhunderts zu seinen Schülern rechnete. Als Komponist tritt er heutzutage viel weniger in Erscheinung. Es gibt einige Aufnahmen von Kantaten, aber Aufführungen seiner Opern, Oratorien und Serenaten sind rar. Deswegen ist die hier zu besprechende CD mit Ausschnitten aus eben diesem Teil seines Schaffens von grosser Bedeutung. Alle drei soeben erwähnte Gattungen sind vertreten.

In Oratorien wurden verschiedene Stoffe behandelt: neben biblischen Geschichten, meistens aus dem Alten Testament, wurden auch Heiligen oder historischen Persönlichkeiten Oratorien gewidmet. Die erste Kategorie finden wir in Gedeone, über einen der Richter des jüdischen Volkes, der die Gewaltherrschaft der Midianiter bricht, und in David e Bersabea, über die Affäre des Königs David mit Batseba und den von ihm angeordneten Tod deren Ehemannes Urija. Im letztgenannten Oratorium singt der Prophet Nathan eine Wutarie, in der er Gottes Zorn über das Geschehen zum Ausdruck bringt. So eine Arie zeigt, wie sehr sich Oratorium und Oper in Porporas Zeit ähneln. Ein historischer Stoff wird in Il martirio di San Giovanni Nepomuceno behandelt; Johannes Nepomuk (c1350-1393) war ein böhmischer Priester und Märtyrer.

Eine wichtige Gattung im italienischen Barock war die Serenata. Dabei handelt es sich um ein Stück, oft in Auftrag gegeben, das aus Anlass eines festlichen Ereignisses, wie eine Hochzeit, eine Geburt oder ein Friedensvertrag, dargeboten wurde. Zwei Serenaten sind hier mit Rezitativen und Arien vertreten. Dejanira, Iole, Ercole entstand 1711 und daraus hören wir zwei Arien, die Hercules in den Mund gelegt werden. Hier hat Porpora die Qualitäten des Interpreten, des Bassisten Antonio Manna, ausgeschöpft, vor allem im Bereich des Umfangs seiner Stimme und seiner Fähigkeit, grosse Intervalle zu überbrücken. In L'Angelica, die 1720 aufgeführt wurde, trat zum ersten Mal der Kastrat Farinelli, im Alter von 15 Jahren, auf. Das Stück versetzt uns in die imaginäre Welt Arkadien, das Ideal der höheren Schichten, genauso wie die damals komponierten Kantaten.

Dritte Gattung im Programm ist die Oper. L'Agrippina wurde 1708 zum ersten Mal aufgeführt, und ist wohl eine der spätesten Opern, in denen es komische Charaktere gibt. Im 17. Jahrhundert war das gang und gäbe, aber als die Oper sich zur 'opera seria' entwickelte, wurden komische Charaktere und Geschichten ins Intermezzo verbannt. Hier ist der Protagist Planco, der Liebesgeschichten und insbesondere das Umschwärmen von Kastraten ironisch kommentiert. Als 1732 der Bass Antonio Magnana an Aufführungen zweier Pasticcios von Händel teilnehmen sollte, wollte er gerne Arien singen, die er 1730 bzw. 1731 in Opern von Porpora gesungen hatte. Die Einbeziehung solcher sogenannten 'Kofferarien', die einem Sänger die Möglichkeit boten zu jeder - passenden oder unpassenden - Gelegenheit, seine Fähigkeiten zur Schau zu stellen, war damals ganz üblich, ohne Zweifel zum Verdruss von Komponisten. In diesem Falle war es wohl weniger ein Problem, da Catone in Utica sowieso aus Ausschnitten verschiedener Opern von verschiedenen Komponisten zusammengestellt war.

Eine Besonderheit dieser CD ist, dass alle Arien für Bass gesetzt sind. Damals waren die wichtigen Rollen in dramatischen Werken immer für Sopran oder Alt bestimmt. Stimmen in tieferen Lagen waren meistens mit Nebencharakteren verbunden. Bässe waren oft die Schurken eines Werkes, oder aber ältere und Weise Männer. Beide finden wir hier: in Il martirio di San Giovanni Nepomuceno ist König Wenzel IV., der Johannes Nepomuk ertrinken lässt, der Schurke, in L'Angelica ist der Protagonist der Vater eine Hirtin, der versucht die heftigen Liebesgefühle zu beruhigen. Sergio Foresti hat sich in jede Rolle perfekt eingelebt. In den Wutarien ist er nicht der Versuchung, zu übertreiben, zum Opfer gefallen. Er konzentiert sich ganz auf die differenzierte Weise, in der Porpora den Text musikalisch gestaltet. Auch in der komischen Arie aus L'Agrippina trifft er den richtigen Ton. Er verfügt über eine angenehme, aber nicht sonderlich laute Stimme, und das ist hier genau richtig. Das Abchordis Ensemble ist der exzellente Partner. Es bleibt zu hoffen, dass in nächster Zukunft die grösseren Vokalwerke Porporas auch mal in voller Länge aufgenommen werden. Diese CD zeigt, dass die Qualität seines Schaffens dazu allen Grund gibt.

Nicola Antonio Porpora: "L'aureo serto"
Sergio Foresti, baritone; Abchordis Ensemble/Andrea Buccarella
Challenge Classics CC 72924 (© 2022) details

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