Montag, 14. Oktober 2024

Pössinger: Duette für Violine und Viola op. 4 - Katja Grüttner, Christian Goosses



Seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts gab es einen wachsenden Bedarf an Musik, die von Laien im häuslichen Kreis gespielt werden konnte. Georg Philipp Telemann war einer, der solche Musik in grossen Mengen veröffentlichte. Mit der Zeit breitete sich das häusliche Musizieren auf die mittleren Schichten der Gesellschaft aus. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden bestimmte Gattungen besonders beliebt, wie Quartette für Traversflöte und Streicher. Auch andere Gattungen kamen in Mode, wie Trios und Duette in verschiedenster Besetzung. Die bei Musicaphon erschienene CD, die hier rezensiert wird, bietet drei Werke für Violine und Viola. Die grossen Komponisten der Klassik, Mozart und Haydn, haben zu dieser Gattung beigetragen, aber es sind vor allem weniger bekannte Meister, die solche Werke komponiert haben. Ignaz Pleyel und Alessandro Rolla sollten hier insbesondere erwähnt werden.

Diese beiden sind relativ bekannt, obwohl ihre Werke nicht oft gespielt werden. Franz Alexander Pössinger (1766-1827) dagegen ist ein fast ganz vergessener Komponist. In der englischen Musikenzyklopädie New Grove wird er gar nicht erwähnt; Musik in Geschichte und Gegenwart widmet ihm zumindest einen kurzen Artikel. Er machte vor allem Namen mit Bearbeitungen von Vokalwerken, wie Opern von Mozart, Beethoven, Weber und Rossini. Er transkribierte auch Beethovens Sinfonien für Streichquartett. Aber auch seine eigenen Kompositionen wurden durchaus geschätzt. Der grösste Teil seines Oeuvres besteht aus Kammermusik für verschiedene Besetzungen, wie Streichtrios, -quartette und - quintette, sowie Stücke für Flöte, Violine und Viola und eben die drei Streichduos op. 4. Die ersten zwei bestehen aus drei Sätzen, das dritte aus zwei.

Im Textheft werden sie mit dem Stil in Verbindung gebracht, der als Biedermeier bekannt ist. Das scheint mir nicht richtig, denn formal handelt es sich dabei um Musik aus der Zeit zwischen 1815 (dem Wiener Kongress) und 1848 (das Jahr der Revolutionen). Pössingers Duos wurden aber schon 1802 veröffentlicht. Der Stil des Biedermeier wird - manchmal zu Unrecht, aber manchmal auch mit Recht - als einfach und etwas oberflächlich betrachtet. Pössingers Duos sind deutlich besser, und oberflächlich bestimmt nicht. Darüber hinaus sind sie technisch ziemlich anspruchsvoll, beispielsweise durch grosse Sprünge. Es ist zweifelhaft, ob sie von durchschnittlichen Laien gespielt werden konnten.

Sylvie Kraus hat die beiden Interpreten auf diese Duos aufmerksam gemacht, und das ist ein reiner Glücksfall. Diese Stücke sind sehr schön und unterhaltsam und haben es verdient, auf CD veröffentlicht zu werden. Darüber hinaus sind Katja Grüttner und Christian Goosses die idealen Interpreten. Beide haben viel Erfahrung in der Aufführung von Musik aus Barock und Klassik auf Instrumenten der Zeit, und das zahlt sich hier aus. Es gibt eine perfekte Balance zwischen den beiden Instrumenten, und die Tempi und die Dynamik sind wohl durchdacht, und in jeder Hinsicht überzeugend. Schade nur, dass die Spieldauer (41 Minuten) so kurz ist. Ich hätte gerne noch etwas mehr gehört. Es sollte aber die an solchen Werken Interessierten nicht davon abhalten, sich diese CD zu ergattern.

Pössinger: "Three Duos for Violin and Viola"
Katja Güttner, Violine; Christian Goosses, Viola
Musicaphon M56996 (© 2023) details

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Pössinger: Duette für Violine und Viola op. 4 - Katja Grüttner, Christian Goosses

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