Freitag, 7. Juli 2023

London circa 1740 - La Rêveuse



Vom späten 17. bis weit ins 19. Jahrhundert war London einer der europäischen Musikmetropolen. Es wurde auf allen Ebenen Musik gemacht: von der Oper bis zu Kammermusik im intimen Kreis. Kein Wunder, dass ausführende Musiker und Komponisten aus aller Welt sich dort niederliessen, vor allem in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Einer der grössten war Georg Friedrich Händel, der schon bald nach seiner Ankunft eine zentrale Stelle im Musikleben einnahm. Das war vor allem dank seiner Aktivitäten im Bereich der Oper. Sein Orchester bot vielen Musikern Arbeit, und darunter waren einige grosse Virtuosen, wie der italienische Oboist Giuseppe Sammartini. Verschiedene Spieler im Orchester waren auch als Komponist tätig, aber nur wenige werden heute als solchen wahrgenommen

Das Ensemble La Rêveuse hat 2020 eine CD veröffentlicht, auf der die Londoner Musikszene um 1720 beleuchtet wird. Jetzt liegt eine CD vor, die uns zwanzig Jahre weiter bringt. Händel spielt noch immer eine substantielle Rolle, aber nicht mehr als Opernkomponist: die italienische Oper hat seine Anziehungskraft verloren, und Händel komponiert jetzt Oratorien auf englischen Texten. Wichtig im Musikleben sind die öffentlichen Konzerte, beispielsweise die sommerlichen Konzerte in den Vauxhall Gardens, für die Händel sogar ein besonderes Stück komponierte, das auf der CD ganz am Ende erklingt. Vom ihm wird auch eine Triosonate gespielt. Weiter hören wir das wohl bekannteste Werk von Sammartini: sein Blockflötenkonzert in F-Dur, hier vom Veteranen Sébastien Marq dargestellt. Das Traversflötenkonzert in e-moll (op. 2,6) des aus Deutschland gebürtigen Charles Weideman wird hier vom jungen Flötisten Olivier Riehl gespielt. Pietro Castrucci war der Konzertmeister in Händels Opernorchester. Hier erklingt ein Stück, das man von ihm nicht erwarten würde: eine Sonate für Viola da gamba ohne Begleitung.

Traditionelle Musik aus Schottland und Irland erfreute sich zu dieser Zeit grosser Beliebtheit, und Komponisten bearbeiteten traditionelle Melodien und trugen diese in öffentlichen Konzerten vor. James Oswald war einer der bekanntesten; er verdankt seine Bekanntheit vor allem solchen Bearbeitungen. Hier erklingt eine kleine Auswahl in verschiedenen Besetzungen.

Diese CD bietet ein farbenreiches Porträt des Musiklebens um 1740 und enthält mehrere kaum bekannte Werke. Es gibt auch ein paar geläufige Stücke, und damit ist diese Produktion eine gute Mischung von Bekanntem und Unbekanntem. Die Musik wird auf hohem Niveau dargestellt; La Rêveuse ist ein vorzügliches Ensemble, das hier stilistisch konsequente und überzeugende Darbietungen vorlegt. Da kann man sich nur freuen und hoffen, dass weitere Schätze des englischen Musiklebens in nächster Zeit auf CD erscheinen werden. Diese Aufnahme bietet auf jeden Fall mehr als eine Stunde beste Unterhaltung.

"London circa 1740 - Handel's musicians"
La Rêveuse/Florence Bolton, Benjamin Perrot
Harmonia mundi HMM 902613 (© 2022) details

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