Donnerstag, 23. November 2023

Godecharle: Harfenquartette - Société Lunaire

Die hier zu rezensierende CD zeugt vom wachsenden Interesse an der Musik, die im 18. Jahrhundert in den österreichischen Niederlanden - heute als Belgien bekannt - komponiert wurde. In den letzten Jahren sind verschiedene Aufnahmen mit solchem Repertoire erschienen. Diese Region konnte auf eine glänzende Vergangenheit zurückblicken. Die meisten Komponisten der franco-flämischen Schule der Hochrenaissance waren in dieser Region geboren, damals unter der Herrschaft der Habsburger. Das 17. Jahrhundert war eine Zeit des Verfalls, aber als mit dem Frieden von Utrecht (1713) die Region unter österreichische Herrschaft kam, setzte ein Wirtschaftswachstum ein, dass sich auch positiv auf das kulturelle Leben, und damit den Musikbetrieb, auswirkte. Unter den Komponisten, die im 18. Jahrhundert dort aktiv waren, zählen solche wie Henri-Jacques De Croes, Pierre Van Maldere und die Mitglieder der Familien Loeillet und Fiocco. Ein fast unbekannt gebliebener Komponist ist Eugène Godecharle (1742-1798), der als Geiger ausgebildet wurde und Mitglied der Kapelle des Karl von Lothringen wurde. Ausserdem wirkte er als Kapellmeister in einer Kirche. In den letzten vier Jahren seines Lebens war er als Konzertmeister in der königlichen Kapelle angestellt.

Sein Oeuvre is relativ bescheiden von Umfang und enthält ausschliesslich Instrumentalmusik, von Solosonaten bis Sinfonien. Die Société Lunaire hat eine CD herausgebracht mit dem vollständigen Opus 4: sechs Quartette für Harfe, Violine, Viola und Violoncello. Die Harfe erfreute sich grosser Beliebtheit in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Paris war ein Zentrum des Harfenspiels - eine der berühmtesten Spielerinnen des Instruments war die königin Marie Antoinette - und es wurde auch viel Musik für die Harfe komponiert. Auch Godecharle spielte die Harfe. Allerdings war das Instrument unter Laien nicht weit verbreitet, da es ziemlich teuer war, und das erklärt, warum Godecharle das Cembalo als Alternative vorschlägt.

Alle sechs Quartette bestehen aus drei Sätzen. Die zweiten Sätze sind entweder ein Rondo oder ein Menuett. Zwei Quartette sind besonders erwähnenswert. Der zweite Satz des dritten Quartetts enthält eine ausgeschriebene Kadenz für die Harfe und die Violine - eine der ganz wenigen im 18. Jahrhundert, schreibt der Harfenist des Ensembles, Maximilian Ehrhardt, im Textheft. Das sechste Quartett hat eine Allemande als letzter Satz - eine typisch barocke Tanz, die in der Klassik nur selten in Musikwerken zu finden ist. In diesen Quartetten spielen die Harfe und die Violine die Hauptrollen, obwohl Viola und Violoncello mehr sind als nur Begleitung.

Diese Quartette sind gut komponierte Werke, und stellen wichtige Bereicherungen des Repertoires für die Harfe dar. Über das Ensemble konnte ich keine Informationen finden, aber ich nehme an, dass es sich hier um seine erste CD-Aufnahme handelt. Es ist eine schöne Aufführung, die sich hören lassen kann. Die vier Mitglieder des Ensembles machen alles richtig. Ehrhardt spielt eine Kopie einer Harfe von Renault & Chatelain aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Peter Bárczi ist der exzellente Geiger, und Viola und Cello werden von Nadine Henrichs und Jule Hinrichsen gespielt. Nicht nur Harfenfreunde werden sich über diese Produktion freuen.

Eugène Godecharle: Sei Quartetti per Harpa, Violino, Viola e Basso Op. IV
Société Lunaire
Ramée RAM 2207 (© 2023) details

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