Donnerstag, 13. November 2025

Tessarini: Sonaten für Traversflöte - Eriko Oi


In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts reisten mehrere italienische Komponisten als Geigenvirtuosen durch Europa. Dazu zählen Pietro Antonio Locatelli und Francesco Maria Veracini. Wie diese wurde auch Carlo Tessarini (um 1690-nach 1766) als Geiger ausgebildet, aber - im Gegensatz zu den soeben genannten - ist er heute so gut wie vergessen.

Er wurde in Rimini geboren; von seiner musikalischen Erziehung wissen wir so gut wie nichts. Er wirkte in Venedig als Kapellmeister am Ospedale dei Santi Giovanni e Paolo und als Geiger am Markusdom. In den 1730er Jahren siedelte er nach Urbino um, wo er in den Dienst des Kathedrals trat. Da hatte er die Gelegenheit als Virtuose durch Europa zu reisen. Auftritte in u.a. Rom, Paris, London und den Niederlanden sind belegt. Sein letztbekannter Auftritt war 1766 in Arnheim in den Niederlanden.

Tessarini hat ein stattliches Oeuvre hinterlassen. Einige Sammlungen gab er selber heraus, andere wurden von renommierten Verlagshäusern veröffentlicht, oft ohne seine Zustimmung. Das sagt etwas über seinen Ruf als Komponist. Der grösste Teil seines Oeuvres ist für sein eigenes Instrument bestimmt, aber im Verlaufe der Zeit wurde die Traversflöte als Alternative erwähnt. Der Grund war zweifellos die wachsende Beliebtheit dieses Instruments unter Laien.

Die Sonaten Op. 14 sind ein gutes Beispiel. Sie wurden zuerst um 1748 in Venedig veröffentlicht, aus Anlass des Friedens von Aix-la-Chapelle, mit dem der Österreichische Erbfolgekrieg (1740-1748) endete. Zwei Jahre später wurden sie in Paris wiederveröffentlicht. Die Traversflöte wird hier neben der Violine erwähnt, und deswegen hat Tessarini typische Merkmale von Musik für die Geige, wie Doppelgriffe, vermieden. Da diese Werke für Laien bestimmt sind, enthalten sie weniger technische Herausforderungen als andere Werke von Tessarini. Obwohl sie sich in der Form grösstenteils ähneln, gibt es auch viel Variation in dieser Sammlung,

Die zweite Sammlung, die Eriko Oi aufgezeichnet hat, ist Il piacer delle dame, facile ariete instrumentali, zuerst um 1745 in Paris gedruckt, dann 1751 wiederveröffentlicht in London unter dem Titel Easy and Familiar airs. Auch diese Stücke sind für Traversflöte oder Violine und Basso continuo geschrieben. Der französische Titel - "das Vergnügen der Damen" - ist vielleicht ein Indiz dafür, dass sie als pädagogisches Material gemeint sind. Die Abwechslung in Länge, Tempo und Charakter, sowie die Tatsache, dass sie hohe Noten und grosse Intervallsprünge enthalten, weisen in diese Richtung.

Die Sonaten Op. 14 wurden schon mal auf der Violine aufgenommen (Valerio Losito; Brilliant Classics, 2019). Es ist schön, dass sie nun auch in alternativer Besetzung vorliegen. Sie haben es sich redlich verdient, und Eriko Oi liefert eine exzellente Interpretation. In der Biografie im Textheft heisst es, sie sei "beim 34. Internationalen Wettbewerb für Alte Musik in Yamanashi mit dem 2. Preis ausgezeichnet worden (der 1. Preis wurde nicht vergeben)". Das ist leicht nachzuvollziehen. Ich bin von ihrem Spiel beeindruckt. Sie erzeugt einen wunderschönen Ton und nutzt den gesamten Tonumfang und die dynamischen Möglichkeiten ihres Instruments wirkungsvoll aus. Sie beweist ein gutes Gespür für den Rhythmus jedes Satzes und den rhetorischen Charakter dieser Sonaten, was sich in ihrer Artikulation und m Kontrast zwischen 'guten' und 'schlechten' Noten zeigt. Tung-Han Hu ist eine hervorragende harmonische und rhythmische Stütze.

Carlo Tessarini: Sei Sonate Op. 14, Il Piacier delle Dame
Eriko Oi, Traversflöte; Tung-Han Hu, Cembalo
Tactus TC 692006 (© 2025) Details

Tessarini: Sonaten für Traversflöte - Eriko Oi

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts reisten mehrere italienische Komponisten als Geigenvirtuosen durch Europa. Dazu zählen Pietro An...