Donnerstag, 20. November 2025
Musik aus einem Frauenkloster des 16. Jahrhunderts - Musica Secreta
"Mulier tacet in ecclesia" - die Frau soll schweigen in der Kirche. Dieses Gebot des Apostels Paulus wurde vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert auf das Singen in der Kirche ausgeweitet. Infolgedessen wurde liturgische Musik von Knaben und Männern gesungen. Aber nicht überall schwiegen die Frauen: in Klöstern hatten sie nicht nur die Gelegenheit zu singen, sondern auch ihre musikalischen Talente zu entwickeln, Instrumente zu spielen und sogar zu komponieren.
Ob die Schwestern im Kloster San Matteo in Arcetri, heute Teil der Stadt Florenz, auch komponiert haben, ist nicht bekannt. Eine Handschrift mit insgesamt 78 Stücken, die mit diesem Kloster in Verbindung gebracht werden konnte, gibt darüber keine Auskünfte. Neben Werken von damals bekannten Meistern gibt es Stücke, deren Komponist nicht erwähnt wird. Diese Sammlung - bekannt als 'Biffoli-Sostegni Handschrift', nach den Schwestern die auf dem Umschlag genannt werden - wird im Königlichen Konservatorium zu Brüssel aufbewahrt, und wurde von einem Mönch, Fra Antonius Morus, zusammengetragen.
Die Stücke zeigen, wie die liturgische Praxis im Kloster aussah. Im Programm, das vom Ensemble Musica Secreta aufgezeichnet wurde, stehen zwei Messen im Mittelpunkt. Es sind beide Parodiemessen, was heisst, dass darin Material aus schon existierenden Werken, wie Madrigalen oder liturgischen Gesängen, verarbeitet wird. Eine dieser Messen basiert auf dem Offertorium Recordare Virgo Mater für das Fest der Unbefleckten Empfängnis Mariä, das jährlich am 16. März gefeiert wurde, und eines der wichtigsten Ereignisse im Kloster darstellte.
Der Evangelist St Matthäus war der Schutzpatron der Klosters; sein Fest fand am 21. September statt. Dafür ist In illo tempore: vidit Jesus bestimmt. Selbstverständlich gibt es mehrere Gesänge für Maria. Und da die Vespern einer der wichtigsten Teile der Liturgie der katholischen Kirche darstellten, sind auch Vesperpsalmen und das Magnificat eingeschlossen.
Während mehrere Gesänge relativ einfach sind, ist das Magnificat etwas komplizierter, und die Messen sind mit den Werken der bekannten Komponisten der Zeit durchaus vergleichbar. Ob diese Werke speziell für dieses Kloster komponiert wurden, lässt sich nicht feststellen. Es scheint durchaus möglich.
Schliesslich gibt es auch einige Madrigale, aber dann sogenannte 'spirituelle' Madrigale - das war im 16. Jahrhundert eine beliebte Gattung. Sie waren zur Unterhaltung gemeint: die Schwestern konnten auf diese Weise eine damals gängige Art von Musik geniessen, ohne an den amourösen Texten Anstoss nehmen zu müssen.
Die neun Sängerinnen werden in einigen Stücken von Viola da gamba, Laute und Orgel unterstütz. Das waren die einzigen Instrumente, die in einem Kloster erlaubt waren.
Diese Produktion liefert einen faszinierenden Einblick in das tägliche Leben eines Frauenklosters des 16. Jahrhunderts. Der Name des Ensembles Musica Secreta ist sein Programm: es bringt Musik zu Gehör, die lange Zeit verborgen geblieben ist, und sogar in der Zeit des Entstehens sich der Öffentlichkeit entzog. Wie wertvoll es ist, sie in unserer Zeit zu Gehör zu bringen und einem weiteren Kreis zugänglich zu machen, zeigt diese Produktion eindrucksvoll. Musica Secreta fühlt sich hier wie ein Fisch im Wasser.
"Ricordanze - a record of love"
Musica Secreta/Laurie Stras
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