Donnerstag, 30. Mai 2024

Roseingrave: Cembalowerke - Bridget Cunningham



Thomas Roseingrave ist ein bekannter Name, insbesondere unter Cembalisten. Er spielte eine Schlüsselrolle in der Verbreitung der Cembalosonaten von Domenico Scarlatti. Im Jahre 1739 veröffentlichte er eine Sammlung dieser Sonaten in London; das war erst die zweite Ausgabe dieser Werke, nach den Essercizi per gravicembalo. Der Komponist Roseingrave ist aber kaum bekannt, und seine Musik wird selten gespielt. Die britische Cembalistin Bridget Cunningham hat den grössten Teil seines Cembaloschaffens auf CD aufgenommen: acht Suiten und einige separate Werke.

Roseingrave war ein grosses Talent, und er hatte schon im jungen Alter die Möglichkeit nach Italien zu reisen, um seine Fähigkeiten zu erweitern. In Venedig hörte er Scarlatti am Cembalo, und er war so beeindruckt, dass er ihm nach Rom und Neapel folgte. Im Jahre 1725 wurde er einstimmig zum Organisten an der Pfarrkirche in Hanover Square in London ernannt. Er war wegen seiner Kenntnisse des Kontrapunkts bekannt - die Frucht seines Studiums der Musik von Palestrina.

Im Jahre 1728 veröffentlichte er eine Sammlung von acht Cembalosuiten. Die Zahl und Abfolge der Sätze ist unterschiedlich. Cunningham schreibt im Textheft: "Neuere und ältere Elemente verschmelzen zu einem großartigen Potpourri aus höfischen Tänzen, lyrischen Vokalstücken, französischer Tendresse, fugierter und kontrapunktischer Komposition und extravagant arpeggierten Präludien, in dem sich das Gelehrte und Kalkulierte frei mit dem Spontanen und Improvisatorischen vermischt." Die erste Suite eröffnet mit einer französischen Ouvertüre, und schliesst mit einer Chaconne. Die zweite beginnt mit einem Präludium, das mit einem verminderten Septimeakkord eröffnet; es erinnert an den ersten Satz, Le cahos, aus Jean Fery Rebel's suite Les Élémens. Die restlichen Suiten fangen mit einer Allemande an. Es ist bemerkenswert, dass Roseingrave zwar Scarlatti bewunderte, aber dessen Einfluss auf seine eigenen Suiten gering ist. Cunningham sieht ihn nur in einem Satz. Es ist nützlich ihren Kommentar im Textheft - übrigens nur auf englisch - zu lesen, wenn man diese Suiten anhört. Sie zeigen seine Eigenständigkeit als Komponist.

Nach den Suiten erklingen einige weitere Stücke, darunter die Solofassung eines Cembalokonzerts und eine Bearbeitung einer Sonate von Scarlatti. Dazu gibt es noch ein Stück, das Roseingrave aufnahm in das Vorwort zu seiner Ausgabe von Scarlattis Sonaten.

Bridget Cunningham spielt eine Kopie eines Cembalos von Ruckers mit einem französischen ravalement. Sie argumentiert, dass Roseingrave im Verlauf seiner Karriere verschiedene Cembalotypen kennengelernt hat. Von daher ist diese Wahl gut zu verteidigen. Trotzdem hätte ich gerne ein echtes englisches Cembalo gehört, denn solche Instrumente werden selten in Aufnahmen gespielt. Insgesamt haben mir die Interpretationen gut gefallen; sie sind stilsicher und energisch. Nur in den schnellen Sätzen hätte ich hier und da einen etwas grösseren Kontrast zwischen 'guten' und 'schlechten' Noten gehört; die 'schlechten' hätten etwas kürzer gespielt werden sollen.

Die Bedeutung dieser Produktion ist nicht zu überschätzen: Roseingrave war mehr als der Förderer der Cembalosonaten von Scarlatti und soll als Komponist ernst genommen werden.

Roseingrave: "Eight Harpsichord Suites and other keyboard works"
Bridget Cunningham, Cembalo
Signum Classics SIGCD783 (© 2024) details

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