Mittwoch, 13. November 2024
Benevoli: Missa Benevola - Robert Hollingworth
Orazio Benevoli (1605-1672) ist ein bekannter Name. Es gab mal eine Zeit, dass man annahm, er sei der Komponist der Missa Salisburgensis, bis sich herausstellte, dass es aller Wahrscheinlichkeit nach ein Werk von Heinrich Ignaz Franz Biber ist. Es wundert nicht, dass man Benevoli als Komponist betrachtete, denn er war ein Spezialist in der Komposition mehrchöriger Werke. Es gab im 17. Jahrhundert in Rom eine Tradition von Mehrchörigkeit, die bis zu Palestrina zurückreicht. Dieser komponierte Musik für Doppelchor, aber Benevoli und einige andere gingen weiter. Sie gelten als Vertreter eines Stils, den Musikwissenschaftler als Kolossalbarock bezeichnen. Es wurden Messen für mehr als zwei Chöre komponiert, bis zu nicht weniger als zwölf Chören.
In seiner Missa Benevola gibt sich Benevoli noch relativ bescheiden, denn hier kommt er mit 'nur' vier Chören aus. Das Werk ist wahrscheinlich für ein Marienfest bestimmt, möglicherweise Mariä Himmelfahrt (15. August). Das Werk besteht aus den üblichen fünf Teilen, aber in Rom wurde das Benedictus immer ausgelassen. Ausserdem wird das Agnus Dei nur einmal gesungen; der Bitte um Frieden im dritten Agnus Dei wird nicht gesungen.
Bei solch gross angelegten Messen stand die äusserliche Pracht der Musik und des ausführenden Apparats im Mittelpunkt, und damit die Macht der Kirche - ein wichtiger Bestandteil der Gegenreformation. Für Textausdruck gibt es bei einer solchen Besetzung wenig Gelegenheit; der Text der Messe bietet dafür auch nicht besonders viel Anhaltspunkte. Einige Besonderheiten gibt es trotzdem, und darauf weist Robert Hollingworth in seiner informativen Einführung im Textheft (nur auf englisch) hin.
Neben der Messe von Benevoli enthält diese CD auch drei Werke seines Zeitgenossen Giacomo Carissimi (1605-1674). Wie Benevoli wirkte er in Rom; er ist vor allem wegen seiner Oratorien bekannt geworden. Die Historia di Jephte gehört zu seinen berühmtesten Schöpfungen; schon in seiner Zeit wurde vor allem der hochexpressive Schlusschor gelobt. Dieses Werk wird auch hier dargeboten. Dazu kommen zwei Motetten. Interessant ist, dass Carissimi aus dem Psalm Super flumina Babylonis einen dramatischen Dialog macht, unter anderem da er Verse aus anderen Bibelstellen hinzufügt, und die vier Stimmen in zwei hohe und zwei tiefe Stimmen aufteilt. Paratum cor meum ist ein virtuoses Stück für Bass; es ist ein Musterbeispiel des monodischen Stils.
Insgesamt sind die Interpretationen gut gelungen. Selbstverständlich lässt sich der räumliche Effekt einer Kirche nicht auf CD reproduzieren. Die Aufnahmetechniker haben aber eine lobenswerte Arbeit geleistet. Es wird sehr schön gesungen, solistisch wie im Ensemble. Leider gibt es dann und wann ein hörbares, aber glücklicherweise nur leichtes Vibrato in einigen Stimmen. In Carissimis Oratorium sind Greg Skidmore und Julia Doyle exzellent als Jephtha bzw. seine Tochter. Leider hat Hollingworth an einigen Stellen Schlagzeug eingesetzt. Das ist zu demonstrativ, und ist hier fehl am Platz. Es ist ein Schönheitsfehler auf einer ansonsten empfehlenswerten Produktion.
Benevoli: Missa Benevola
I Fagiolini, The City Musick/Robert Hollingworth
Coro COR 16208 (© 2024) details
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