Donnerstag, 6. Februar 2025
Steffani: Vesperpsalmen & Stabat mater - Florian Lohmann
Es gibt Komponisten, die sich wegen eines Werkes oder wegen ihrer Beiträge zu einer Gattung einen Namen gemacht haben. Dazu gehört auch Agostino Steffani (1654-1728), der schon in seiner Zeit wegen seiner Duette berühmt war. Sie wurden von Komponisten späterer Generationen, darunter Georg Friedrich Händel, zum Vorbild genommen. Er hat aber auch viele Opern komponiert und dazu Kirchenmusik.
Florian Lohmann hat sich mit dem Collegium Vocale Hannover und dem Ensemble la festa musicale diesem Schaffen zugewandt. Steffani war ein Wunderkind, der als Knabensopran schon in der Oper auftrat. Als 13-Jähriger ging er nach München, wo er am Hofe angestellt wurde. Später ging er nach Rom, wo er bei Ercole Bernabei studierte, der später Kapellmeister in München werden sollte. Die Früchte dieses Studiums ist Psalmodia Vespertina, eine Sammlung von Vesperpsalmen zu acht Stimmen in zwei Chören und Basso continuo, die 1674 in Rom veröffentlicht wurde.
Wie soviel Kirchenmusik, die in Rom komponiert wurde, stehen diese Werke im stile antico. In Rom hatt die Kirche das Sagen, und sie stand dem damals geläufigen, 'modernen' Stil, skeptisch bis ablehnend gegenüber, da dieser als zu opernhaft galt. Das hat Komponisten nicht davon abgehalten, Elemente dieses Stils in ihre Kompositionen einzubeziehen. Das betrifft vor allem eine enge Verbindung zwischen Text und Musik. Das ist auch in diesen Psalmen der Fall. Mit musikalischen Mitteln, wie Figuren, Harmonie und metrischen Verschiebungen werden bestimmte Textstellen herausgehoben. Auch die Aufteilung der Stimmen in zwei Chöre wird hier und zur Hervorhebung von Wörtern und Phrasen ausgenutzt.
Im Verlaufe seines Lebens war Steffani immer mehr aktiv im Bereich der Diplomatie, und dazu kam später noch eine Karriere in der Kirche. Die Folge war, dass er nach 1700 seine musikalische Arbeit so gut wie ganz einstellte. Erst in den 1720'er Jahren fing er wieder an zu komponieren. Das führte dann dazu, dass er zum ersten Präsidenten der 1726 in London gegründeten Academy of Vocal Music (später zu Academy of Ancient Music umbenannt) gewählt wurde, obwohl er nicht in England war (und auch nie dort gewesen ist). Im Januar 1728 komponierte Steffani sein letztes Werk, das er als sein Bestes betrachtete: das Stabat mater. Es wurde nach seinem Tode veröffentlicht. Es ist für sechs Stimmen, Streicher und Basso continuo komponiert. Der Text ist aufgeteilt in Abschnitte, die abwechselnd von Solostimmen und Tutti dargestellt werden. Auch hier mangelt es nicht an musikalischer Textausdeutung, wie die Geißelschläge ("et flagellis subditum").
Mit dem Stabat mater schliesst sich, sozusagen, der Kreis von Steffanis Leben. Dieses Spätwerk und die Vesperpsalmen aus seinen frühen Jahren sind Beispiele seines ausdrucksreichen Stils. Deswegen war es durchaus sinnvoll, sie auf eine CD zusammenzubringen. Die Interpretationen sind nahezu ideal. Das Collegium Vocale Hannover ist ein vorzügliches Ensemble, dessen Mitglieder auch in den Soloabschnitten zu überzeugen wissen. Im Stabat mater machen auch die vier absonderlich erwähnten Solisten alles genau richtig. In den Vesperpsalmen werden auch mal Instrumente eingesetzt, die meistens colla voce spielen, darunter auch Zink, Dulzian und Posaunen, die damals noch in der Kirchenmusik verwendet wurden.
Im Bereich der Sakralmusik des Barock gehört diese CD zu den besten, die ich in letzter Zeit gehört habe.
Agostino Steffani: Psalmodia Vespertina, Stabat Mater
Kerstin Dietl, Sopran; Franz Vitzthum, Altus; Daniel Schreiber, Tenor; Thilo Dahlmann, Bass; Collegium Vocale Hannover, la festa musicale/Florian Lohmann
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