Donnerstag, 13. Februar 2025
Bachs Oboe - Xenia Löffler
Es steht fest, dass Johann Sebastian Bach die Oboe sehr geschätzt hat. Schon früh hat er sie in Kompositionen einbezogen, und in vielen Kantaten gibt es obligate Partien für die Oboe. Leider hat er keine Konzerte oder Sonaten für das Instrument geschrieben. Kein Problem, dachte Xenia Löffler, dann mache ich solche eben selber. Nicht aus dem Nichts, versteht sich, aber aus dem Oeuvre von Bach selbst. Zwei Sonaten für Cembalo und Traversflöte und zwei der Triosonaten für Orgel hat sie für Oboe und andere Instrumente eingerichtet, und dazu nahm sie noch vier Orgelwerke.
Gegen solche Bearbeitungen ist nichts einzuwenden. Schliesslich haben die grossen Komponisten des Barock selber ihre eigenen Werke - oder Werke von Kollegen - bearbeitet. Dazu zählt auch Bach. Von mehreren Werken kennen wir sowohl die Bearbeitung wie auch das Original. Von mehreren geistlichen Kantaten gibt es weltliche Vorlagen, und fünf der sechs 'Schübler-Choräle' für Orgel sind Bearbeitungen von Arien aus Kantaten. Auch im Falle der Triosonaten für Orgel wird vermutet, dass es sich - ganz oder zum Teil - um Bearbeitungen früherer Werke handelt. Sie sind 1730 entstanden, aller Wahrscheinlichkeit nach als Übungsmaterial für Wilhelm Friedemann. Auf jeden Fall die Sonate e-Moll (BWV 528) könnte als Triosonate für zwei Melodieinstrumente und Basso continuo konzipiert worden sein. Es gibt mehrere Aufnahmen dieser Werke als Kammermusik, und diese klingen ganz natürlich, was diese Vermutungen verstärkt. Hier werden zwei dieser Sonaten in verschiedener Besetzung aufgeführt: die Oberstimmen der Sonate C-Dur (BWV 529) werden auf Oboe und Violine, die der Sonate e-Moll (BWV 528) auf Oboe d'amore und Viola da gamba dargestellt. Diese Kombinationen sind gut gewählt: im einen Fall dominieren die hellen Klänge, im anderen die dunkleren Farben.
Zu den wichtigsten Werken der barocken Flötenliteratur gehört die Sonate b-Moll (BWV 1030), in der dem Cembalo eine obligate Rolle zukommt. Da es eine Kopie des Cembaloparts in g-Moll gibt, das als die erste Fassung betrachtet wird, und in dieser Tonart die Sonate auf der Traversflöte unspielbar ist, wird angenommen, Bach habe dieses Werk in erster Linie für die Oboe konzipiert. Auf jeden Fall klingt sie in dieser Fassung ganz wunderbar, auch wegen der brillianten Interpretation. Hier glänzt nicht nur Xenia Löffler, sondern auch Flóra Fábri auf dem Cembalo, die den rhythmischen Puls exzellent realisiert, was dem Werk einen fühlbaren Tanzcharakter verleiht.
Die Authentizität der Sonate Es-Dur (BWV 1031) ist zweifelhaft. Es gibt Vermutungen, sie könnte von Carl Philipp Emanuel Bach stammen, aber einer wie Barthold Kuijken glaubt daran nicht. Seiner Meinung nach kommen weder Johann Sebastian noch seine beiden ältesten Söhne als Komponist in Betracht. Aber wer soll das Werk dann komponiert haben? Wir werden es vielleicht nie wissen. Sei's drum, es ist ein schönes Stück, das ein fester Platz im Repertoire hat, und auch hier in einer Fassung für Cembalo und Oboe sich behaupten kann.
Schliesslich erklingen noch drei Choralvorspiele für Orgel in einer gelungenen Kombination von Oboe bzw. Oboe d'amore, Violine, Viola da gamba und Violoncello. Hier lässt sich die vokale Spielweise von Xenia Löffler bewundern. Und dann gibt es noch die Canzona d-Moll (BWV 588), die in einer reinen Bläserbesetzung gespielt wird: Oboe, Taille und zwei Fagotte. Holzbläserensembles gab es nachweislich in Bachs Zeit: im Oeuvre von Telemann, beispielsweise, gibt es Werke in Fassungen für Bläser mit und ohne Streicher.
Nicht alle Aufnahmen von Bearbeitungen von Bachs Musik sind überzeugend. Diese ist es aber. Die Bearbeitungen sind gut gemacht, und das Spiel aller Beteiligten ist von grosser Klasse. Jeder Bachfreund wird diese CD nicht missen wollen. Und Liebhaber der Oboe haben die Gelegenheit ihr Lieblingsinstrument in einigen der schönsten Kammermusikwerken von Bach zu geniessen.
Johann Sebastian Bach: "Bach's Oboe"
Xenia Löffler, Oboe, Oboe d'amore; Michael Bosch, Taille; Daniel Deuter, Julia Scheerer, Violine; Vittorio Ghielmi, Viola da gamba; Katharina Litschig, Violoncello; Györgyi Farkas, Christian Beuse, Fagott; Flóra Fábri, Cembalo
Accent ACC 24406 (© 2024) details
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