Mittwoch, 5. März 2025
Dos Santos: Responsorien für Karfreitag - Enrico Onofri
Diese CD-Besprechung erscheint am Aschermittwoch, dem Anfang der Fastenzeit, die ihren Höhepunkt in der Karwoche findet. Jedes Jahr erscheinen neue Aufnahmen mit Passionsmusik und über die ganze Welt werden Konzerte mit solcher Musik veranstaltet. Ich bin mir ziemlich sicher, dass in ganz wenigen Konzerten Musik aus der Zeit der Klassik erklingen wird. Der Hauptgrund ist, dass im heutigen Konzertleben diese Periode der Musikgeschichte ganz von Haydn, Mozart und Beethoven dominiert wird, und diese wenig bis nichts für die Passionszeit komponiert haben. Die wichtigsten Ausnahmen sind das Stabat mater und Die sieben Worte von Haydn. Vielleicht kommt auch Beethovens Oratorium Christus am Ölberge hier und da mal zum Klingen, und auch das Stabat mater von Boccherini wird aufgeführt werden.
Gibt es denn sonst gar nichts? Doch, aber das Oeuvre von Zeitgenossen der drei grossen Klassiker wird noch kaum erschöpft. Es ist sehr wahrscheinlich, dass eine Untersuchung eines weniger bekannten Meisters Passionsmusik an die Oberfläche befördert, obwohl man bedenken soll, dass mehrere Komponisten keine Position innehatten, die das Komponieren von Passionsmusik erforderte.
Die hier zu besprechende Produktion enthält Musik eines Komponisten, den die wenigsten Musikliebhaber kennen werden. Sowieso wird erst seit relativ kurz die Musik Portugals systematisch untersucht und aufgezeichnet. Der italienische Geiger und Dirigent Enrico Onofri hat in den letzten Jahren einiges auf CD aufgenommen, und auch jetzt zeichnet er verantwortlich für die Aufnahme von Responsorien für die Karwoche von José Joquim dos Santos (1747-1801).
Im Alter von sechs Jahren wurde Dos Santos Schüler des Patriarchalseminars in Lissabon, einer Musikschule, die der Königlichen Kapelle angeschlossen war. 1770 wurde er zum Komponisten des Patriarchalseminars ernannt und 1773 zum Rektor des Königlichen Seminars. Dos Santos besuchte Italien nie, kam jedoch durch Kollegen, die in Italien gewesen waren und italienische Komponisten, die in Portugal arbeiteten, in engen Kontakt mit dem italienischen, insbesondere dem neapolitanischen Stil. Darüber hinaus fand italienische Musik durch die Verbreitung von Handschriften weite Verbreitung.
Es sind vor allem die Vertonungen der Responsorien für die Karwoche von Renaissancekomponisten wie Carlo Gesualdo und Tomás Luis de Victoria bekannt geworden. Von diesen Vertonungen zu denen von Dos Santos ist ein weiter Schritt. Sie sind um 1788 entstanden und für vier Stimmen - Soli und Tutti - komponiert; diese werden von zwei Bratschen, Violoncello, Kontrabass und Fagott begleitet. Das mündet in ein dunkles Klangbild, das perfekt zu diesen Texten passt. Einige Responsorien sind dramatisch; Wörter wie "gegeißelt" und "gekreuzigt" werden plastisch ausgemalt. Es gibt auch Responsorien, die tiefen Trauer ausdrücken, wie 'Tenebrae factae sunt' (Resonsorium V) und 'Caligaverunt oculi mei' (Responsorium IX). Im letztgenannten Responsorium finden wir die herbsten Dissonanzen zur Phrase "Seht, ihr alle, ob es irgendeinen Kummer gibt wie meinen Kummer".
Diese Vertonungen sind ganz anders als solche, die man meistens hört, aber in ihrer ganz eigenen Musiksprache verfehlen sie ihre Wirkung nicht. Dos Santos hat ausdrucksstarke Vertonungen geschaffen, die es wert sind, ausgegraben und einem breiten Publikum zugänglich gemacht zu werden. Die Sänger sorgen für eine eindringliche Darstellung, in der der Text immer im Mittelpunkt steht. Die tiefen Instrumente unterstreichen effektiv die Traurigkeit der Texte.
Diese Produktion ist eine der interessantesten der diesjährigen Passionszeit.
José Joaquim dos Santos: "In Parasceve - Responsories for Good Friday"
Raquel Alão, Sopran; Rita Filipe, Alt; Rodrigo Carreto, Tenor; Hugo Oliveira, Bass; Officium Ensemble; Real Câmara/Enrico Onofri
Passacaille PAS 1155 (© 2025) Details
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