Donnerstag, 27. Februar 2025
Colonna: Vesperpsalmen für zwei Chöre - Michele Vannelli
Im 17. Jahrhundert war Bologna eines der wichtigsten Musikzentren Italiens, vergleichbar mit Rom und Venedig. Die Stadt spielte eine wichtige Rolle in der Entwicklung verschiedener Gattungen, wie das Concerto grosso und das Violinkonzert, sowie im Spiel auf Violoncello und Trompete. Hier wurde auch die berühmte Accademia Filarmonica gegründet; einer der Gründer war Giovanni Paolo Colonna.
Als Sohn eines Orgelbauers wurde er entsprechend erzogen; er entwickelte sich zu einem Experten in Sachen Orgelbau. In Rom wurde er Schüler von Orazio Benevoli und Giacomo Carissimi. Nach seiner Rückkehr war er an verschiedenen Kirchen als Organist tätig, unter anderem der Basilica San Petronio. Von 1662 bis zu seinem Tode 1695 wirkte er dort als Kapellmeister.
Colonna scheint eine Vorliebe für die coro spezzati-Technik gehegt zu haben: nicht weniger als sieben Sammlungen seiner Werke sind für Doppelchor konzipiert. Michele Vannelli, der heutige Kapellmeister der Basilika San Petronio, setzt sich für das musikalische Erbe seiner Vorgänger ein, und präsentiert hier einige Werke für das Vesperofficium. Wie gesagt war Bologna ein Zentrum des Trompetenspiels, und es ist passend, dass das Programm mit einer Sonate für zwei Trompeten und Streicher von Giuseppe Torelli, dem Pionier in diesem Bereich, eröffnet wird. Es folgt dann die Versikel Deus in adiutorium, wieder mit zwei Trompetenstimmen.
Eine Besonderheit im Dixit Dominus ist, dass Colonna dann und wann die Doppelchörigkeit beiseite lässt, und alle acht Stimmen separat behandelt in imitativer Manier. Technisch ist es ein anspruchsvolles Werk, in dem sich Soli und Tutti abwechseln. Auch der Psalm Beatus vir hat etwas Besonderes zu bieten. Hier wird das Orchester behandelt wie in einem Concerto grosso: der erste Chor wird von zwei Violinen und Violoncello begleitet, der zweite von ripieno Streichern. Das resultiert in eine Art von Vierchörigkeit.
Zwischen den beiden Hauptwerken erklingt noch eine Motette für Bass und Streicher, die mit zwei verschiedenen Texten überliefert ist. Hier wird der Text gesungen, den Colonna dazu veranlasst hat, das Werk mit dem Schutzpatron Bolognas, Sankt Petronius, zu verbinden. Die CD schliesst mit dem kurzen Psalm Laudate Dominum, in dem wieder zwei Trompeten mitspielen.
Es ist schön, dass Colonnas Oeuvre wieder zum Leben erweckt wird. Es ist auf CD nicht sonderlich gut vertreten. Diese Produktion beweist, dass er mehr Aufmerksamkeit verdient. Im Grossen und Ganzen ist die Interpretation gut gelungen. Die Qualität der eingespielten Werke kommt gut zum Tragen. Ein paar kritische Bemerkungen sind aber unvermeidlich. Die erste betrifft die Gesangssolisten: vor allem die Soprane hätten etwas weniger Vibrato benutzen sollen; es stört vor allem in den Ensembles. Die zweite betrifft die Aufnahme. Der Nachhall in der Basilika stellt eine grosse Herausforderung dar, sogar wenn sie mit Zuhörern gefüllt ist, wie bei diesem Live-Mitschnitt. In dieser Aufnahme wird der Nachhall ausgeblendet, aber oft auf eine ziemlich unnatürliche Art und Weise. Dadurch gibt es oft einen Moment völliger Stille zwischen den Abschnitten eines Stücks, was künstlich und ziemlich störend ist. Es hat mir zwar nicht wirklich den Genuss verdorben, aber es ist trotzdem enttäuschend. Meines Erachtens soll man die akustischen Umstände akzeptieren, wie sie nun einmal sind. Das könnte bedeuten, dass man das Tempo zurücknimmt, um die Musik wirklich ausklingen zu lassen.
Es soll aber niemanden davon abhalten, sich diese Aufnahme zu ergattern. Diese CD könnte dazu beitragen, Colonna seinen rechtmäßigen Platz in der Musikgeschichte zurückzugeben.
Giovanni Paolo Colonna: "Caro ardore, sacro amore - Concerted Psalms for two choirs and orchestra"
Clarissa Reali, Roberta Pozzer, Sopran; Gabriella Martellacci, Michele Borazio, Alt; Alberto Allegrezza, Riccardo Pisani, Tenor; Gabriele Lombardi, Guglielmo Buonsanti, Bass; Coro e Orchestra della Cappella Musicale di S. Petronio (Bologna), Ensemble Vocale 'Color Temporis'/Michele Vannelli
Dynamic CDS8044 (© 2024) details
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Dos Santos: Responsorien für Karfreitag - Enrico Onofri
Diese CD-Besprechung erscheint am Aschermittwoch, dem Anfang der Fastenzeit, die ihren Höhepunkt in der Karwoche findet. Jedes Jahr ersche...

-
Wenige Komponisten haben so einen weitreichenden Einfluss auf den Verlauf der Musikgeschichte ausgeübt als Arcangelo Corelli. Mit seinen T...
-
Seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts gab es einen wachsenden Bedarf an Musik, die von Laien im häuslichen Kreis gespielt werden konnte. Ge...
-
Johann Sebastian Bach war wohl der erste Komponist, der das Cembalo als Soloinstrument im Orchester verwendete. Das fünfte Brandenburgisch...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen